Dem Winde versprochen
Herz des armen Mädchens erobert hast. Sie wird unglücklich, wenn sie Otárola heiratet, und sie wird an gebrochenem Herzen sterben.«
»Für eine Liebe wie die unsere gibt es keinen Platz auf dieser Welt.«
»Ich weiß, aber deine Schwarzseherei nützt uns jetzt auch nichts.«
»Werden Sie es Herrn Roger sagen?«
»Mister Blackraven hat zu viel um die Ohren, um ihn noch mit einer weiteren Sache zu belasten. Erst einmal werde ich mich darum kümmern. Das Wichtigste ist jetzt, Elisea zu helfen, dass sie wieder gesund wird. Dann sehen wir weiter.«
Später am Abend suchte Servando das Lager der fahrenden Händler auf. Er grüßte Tommy und Pablo und setzte sich zu ihnen ans Feuer. Sie aßen gegrilltes Rindfleisch, das sie auf ein Messer gespießt über die Flammen hielten. Er wartete, bis sie fertig gegessen hatten, bevor er ihnen verkündete: »Ich mache bei dem Aufstand nicht mehr mit.«
»Was redest du da?«, fuhr Tommy ihn an.
»Servando, es sind doch nur noch ein paar Wochen bis zu dem Angriff«, versuchte Pablo ihm zuzureden, »du kannst uns doch jetzt nicht im Stich lassen.«
»Ich steige aus. Bis gestern war dieser Aufstand für mich das Wichtigste in meinem Leben. Ich hatte nur einen einzigen Gedanken: mich rächen und so viele Weiße wie möglich töten. Aber seit heute … Seit heute ist alles anders, die Revolte interessiert mich nicht mehr. Ich habe Wichtigeres zu tun.«
»Was gibt es Wichtigeres als deine Freiheit?«, schnaubte Tommy, doch Servando gab ihm keine Antwort.
»Das ist für Sie, Don Tomás«, sagte er stattdessen und reichte ihm den Umschlag. »Von Miss Melody. Ich verschwinde dann.«
»Ja, verschwinde nur, du Feigling!«, schrie Tommy und riss ihm den Brief aus der Hand.
»Auf Wiedersehen, Servando«, sagte Pablo.
»Auf Wiedersehen.«
Melody zog ihren Morgenrock an und ging hinaus auf den Balkon. Das Anwesen war von Hunderten von Fackeln erleuchtet, die die ganze Nacht brannten. Bewaffnete Wachposten patrouillierten auf dem Gelände. Blackraven hatte ihr etwas von Schurken und Dieben erzählt, die die Gegend unsicher machten; trotzdem erschien ihr der Aufwand übertrieben.
Sie glaubte, seine Schritte auf dem Flur zu hören, und ging wieder ins Zimmer. Sie befürchtete schon, es sei nur Somar auf seinem üblichen Kontrollgang im oberen Stockwerk. Doch dann ging die Tür auf, und er stand vor ihr. Melody eilte in seine Arme.
»Du bist wieder da! Ich hatte schon gedacht, du kommst nicht mehr.«
»Es wäre auch vernünftiger gewesen, in Buenos Aires zu bleiben, aber ich wollte unbedingt zu dir. Ich bin geritten wie der Teufel. Ich hatte solche Sehnsucht nach dir!«
Sie küssten sich mit einer Leidenschaft, die fast schmerzlich war. Melody überlegte kurz, etwas zu essen zu holen oder ihm ein Bad einzulassen, verwarf den Gedanken aber schnell wieder, als er sie aufs Bett warf und ihr die Kleider vom Leib riss. Sie liebten sich kurz und heftig, mit einer Dringlichkeit, die ihnen fast den Atem nahm. Danach sanken sie erschöpft in die Kissen.
Blackraven ging viel im Kopf herum. Isaura hatte die Gabe, ihn alles vergessen zu machen. Sie war wie ein Rauschmittel, von dem er nicht mehr lassen konnte. Früher hatte er sich niemals vorstellen können, dass ihm dieses Eheleben einmal so gefallen würde, er hätte sich sogar darüber lustig gemacht, wenn jemand in seinem Beisein davon geschwärmt hätte. Er hätte es für völlig abwegig gehalten, sich mit einer einzigen Frau zu begnügen.
»Ich habe heute mit Somar Elisea besucht«, berichtete Melody.
»Nur, weil ich der Vormund der Mädchen bin, musst du dich nicht für sie verantwortlich fühlen«, sagte Blackraven. »Ich weiß, dass Elisea in der Vergangenheit nicht besonders nett zu dir war.«
»Das ist jetzt anders«, sagte sie wie beiläufig. »Sie ist in einem erbärmlichen Zustand, Roger. Sie ist krank an Leib und Seele. Ich werde sie in nächster Zeit häufiger besuchen.«
»Das ist sehr lästig für dich.«
»Im Gegenteil. Dann kann ich gleichzeitig die Arbeiten im Stadthaus überwachen.«
»Auf keinen Fall«, fuhr ihr Blackraven ins Wort. »Darum kümmere ich mich.«
»Roger, ich weiß, seit dem Tod von Don Alcides liegt eine große Last auf deinen Schultern. Lass mich dir doch helfen, wo ich kann. Ich kümmere mich um das Haus in der Calle San José. Eine Verzögerung bei der Renovierung würde uns zwingen, in den kalten Monaten in El Retiro zu bleiben, und das wäre nicht gut für Jimmy. Und willst du etwa die
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