Dem Winde versprochen
war sofort die Traurigkeit wieder da: Roger Blackraven war ein Sklavenhändler – für sie die größten Unmenschen auf der Welt. Der Luxus, in dem sie schwelgten, war zum Teil mit dem Schweiß und dem Blut der Schwarzen verdient. Sie würde die Kleider und die Schmuckstücke, die er ihr geschenkt hatte, nie wieder auf ihrem Körper tragen können.
Es schmerzte sie, dass er ihr nicht die Wahrheit über seine Vergangenheit gesagt hatte. Dass sie das alles ausgerechnet von Doña Bela erfahren hatte, machte ihren Groll noch größer. Und was war dran an der Geschichte mit dem gewaltsamen Tod seiner Frau? Es fiel Melody schwer, zu glauben, dass er sie umgebracht hatte, aber sie hatte ja auch nicht geglaubt, dass er mit Sklaven gehandelt hatte. Keiner hielt Blackraven für ein Unschuldslamm. Sein Zorn konnte die Fundamente zum Erbeben
bringen, und er wachte eifersüchtig über alles, was ihm gehörte. Wie aufgebracht er schon gewesen war, als sie mit Covarrubias im Salon der Valdez e Inclán ein wenig geplaudert hatte. Da konnte man sich leicht ausmalen, wie außer sich er gewesen sein musste, als er seine Frau mit einem anderen im Bett erwischt hatte. Warum sollte er sie nicht von der Klippe gestoßen haben …
»Oh, mein Gott, nein!«, schluchzte sie und schlug die Hände vors Gesicht.
Melody ging in das Esszimmer, um zu frühstücken. Sie wusste nicht, wie sie ihm gegenübertreten sollte. Aber sie wollte sich auch nicht länger im Zimmer verstecken. Blackraven und Monsieur Désoite standen auf, als sie sie sahen.
»Guten Morgen«, sagte sie leise und nahm ihren Platz ein.
»Du siehst mitgenommen aus, meine Liebe«, bemerkte Béatrice. »Hast du nicht gut geschlafen?«
»Nein, nicht sonderlich.«
Melody spürte die ganze Zeit über seinen Blick. Sie zwang sich, einen Schluck Kaffee zu trinken.
»Du musst etwas essen, Isaura«, hörte sie seine Stimme, »seit gestern hast du nichts zu dir genommen.«
»Ich habe keinen Appetit«, erwiderte sie, ohne aufzuschauen.
»Ist dir übel?«, fragte Béatrice. »Vielleicht bekommen wir bald Nachwuchs.« Als sie Melodys wütenden Blick sah, verstummte sie. »Entschuldigung«, sagte sie und aß weiter.
Ein Sklave kam herein.
»Herr Roger, Señor Álzaga möchte sie sprechen. Er sagt, es sei dringend. Er fragt, ob die Frau Gräfin auch anwesend sein kann.«
»Er soll eintreten.«
Álzaga kam nicht allein. Er wurde eskortiert vom ersten Bürgermeister Don Francisco de Lezica, dem Stellvertreter des Stadtrats Don Benito de Iglesias und zwei Kommissaren, die für
die Viertel Montserrat und Alto zuständig waren. Der Bürgermeister und Don Benito waren sichtlich nervös. Ersterer nahm seinen weißen Amtsstab von einer Hand in die andere und räusperte sich ständig, und der andere fuhr sich andauernd mit dem Taschentuch über die Stirn.
»Meine Herren«, sagte Blackraven, »nehmen Sie doch bitte Platz. Einen Kaffee?«
»Nein danke, Exzellenz«, ergriff Alzága das Wort. »Das ist kein Höflichkeitsbesuch.«
»Das denke ich mir«, erwiderte Blackraven. »Nehmen Sie doch trotzdem Platz.«
»Wir ziehen uns dann zurück«, sagte Louis und verließ gemeinsam mit seiner Schwester den Tisch.
»Exzellenz«, hob Álzaga an, »ich bringe heute Morgen keine guten Nachrichten.«
»Was gibt es, Don Martín?«
»Nun, gestern kam es zu einem unglücklichen Vorfall. Sarratea, Basavilbaso und meine Wenigkeit wurden von einer Gruppe Aufständischer überfallen, mehrheitlich Sklaven. Man wollte sich nicht nur an unserem Besitz bereichern, sondern uns dabei gleich aus dem Weg räumen.«
»Das tut mir leid«, sagte Roger. »Wie ich sehe, sind Sie unverletzt. Ich hoffe, das gilt auch für Don Martín und Don Manuel.«
Álzaga bedankte sich mit einer kurzen Verneigung.
»Es freut mich, Ihnen mitteilen zu können, dass sie wohlauf sind. Und auch unser Besitz ist unangetastet. Zum Glück sind wir rechtzeitig gewarnt worden.«
»Verzeihen Sie, Don Martín, aber ich würde meiner Frau das unerquickliche Gespräch gern ersparen. Ich wüsste nicht, was sie mit den tragischen Ereignissen zu tun hat.«
»Wir sind ja gerade hier, weil wir mit Ihrer Frau sprechen wollen, Exzellenz.«
»Exzellenz«, versuchte Don Benito zu vermitteln, »es ist uns sehr unangenehm, Sie belästigen zu müssen, aber ein Umstand zwingt uns dazu.«
»Was für ein Umstand?«, fragte Blackraven erbost.
»Einer der Aufständischen, ein Sklave mit Namen Milcíades, der den Angriff auf die Compañía de Filipinas
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