Dem Winde versprochen
für unpassend. Er würde sie Isaura nennen.
Isaura aus Isaurien. Mr.Simmons, sein Lehrer, hatte ihm faszinierende Geschichten über diese antike, griechische Region voller Plünderer und Piraten erzählt. Als im 4 . Jahrhundert vor Christus die Hauptstadt, Isaura Palaia am Fuß des Taurus, von dem makedonischen Herrscher Perdikkas belagert wurde, steckten die Isaurier die Stadt lieber in Brand, als sich zu ergeben und gefangennehmen zu lassen. Man sagte ihnen nach, sie seien Schurken, aber auch stolz und tapfer.
Isaura. Wer hatte ihr wohl diesen Namen gegeben? Er hätte jedenfalls keine bessere Wahl treffen können. Nur selten hatte ihm ein Blick so viel mitgeteilt wie der dieses Mädchens: Leidenschaft, Hass, Mut, Stolz. Und Angst. Denn ihre Hand hatte ein wenig gezittert, bevor sie sie auf die Hundeschnauze legte. Der Hund hätte ihr den halben Arm abbeißen können. Doch Sansón war irritiert und am Ende akzeptierte er die Überlegenheit dieses kühnen Geschöpfs, das ihn herausforderte. Warum hatte sie das getan? Um ihm zu imponieren oder weil sie sich aufspielen wollte? Wohl kaum. Zum Teil hatte sie es getan, um den Kindern eine Lektion zu erteilen, aber im Grunde war es ein Kampf gegen sich selbst. Aus irgendeinem Grund hatte dieses Mädchen sich verboten, Angst zu haben.
»Du hörst mir gar nicht zu«, beklagte sich Béatrice.
»Entschuldige, Liebes. Was hast du gesagt?«
»Ich habe dich gefragt, wann du in Buenos Aires angekommen bist.«
»Vor vier Tagen.«
»Vor vier Tagen? Und du tauchst erst jetzt hier auf?«
»Unaufschiebbare Geschäfte haben mich die ganze Zeit auf Trab gehalten. Ich konnte euch nicht früher Bescheid geben.«
»Ich brauche gar nicht zu fragen. Du wirst mir nicht sagen, welche Art von Geschäften das war«, scherzte Béatrice. »Du liebst das Geheimnis.«
»Ich will dich nicht langweilen.«
»Du langweilst mich nie. Und jetzt sag mir, wie hast du es geschafft, in die Stadt hineinzukommen? England und Spanien sind im Krieg, man hätte dich in keinem Hafen anlegen lassen. Zudem bin ich überrascht, dass man dir beim Zoll erlaubt hat, in die Stadt einzureisen.«
Blackraven lächelte nachsichtig und streichelte die kleine Hand seiner Cousine.
»Du weißt, ich reise unter verschiedenen Flaggen. Ich hätte mit der nordamerikanischen Flagge und den entsprechenden Papieren in den Hafen von Montevideo einlaufen können. Aber das habe ich nicht getan. Ich habe meine Schiffe in Rio de Janeiro gelassen und bin mit einem gemieteten Schoner hierher gereist. Er steht in der Ensenada de Barragán zu meiner Verfügung. Und was den Zoll angeht, meine Kontakte sind immer sehr nützlich. Ich brauchte nur eine Erklärung zu unterschreiben, in der ich versichere, dass ich katholisch bin.«
»Aber das bist du doch gar nicht, Roger! Du bist Anglikaner.«
»Das wundert mich jetzt aber, Marie. Habe ich dir denn nicht erzählt, dass meine Mutter mich wenige Tage nach meiner Geburt katholisch taufen ließ?«
»Ach ja, stimmt. Ich hatte es vergessen.«
»Ich nicht«, sagte Blackraven und lächelte.
»Meine Mutter und mein Vater waren deine Taufpaten«, erinnerte sie sich, und ein Schatten legte sich über ihr Gesicht.
»Keiner hat je bessere Paten gehabt«, versicherte ihr Blackraven.
»Ist das wahr? Hast du sie wirklich geliebt?«
»Aber natürlich habe ich sie geliebt.«
»Und sie dich«, betonte Béatrice. Und dann sagte sie schnell: »Mit wie vielen deiner Schiffe bist du gekommen?« Ihre Lippen zitterten leicht.
»Mit zweien, der
Sonzogno
und der
White Hawk
.«
»Sind sie schön?«
»Schön und mächtig«, erklärte Blackraven stolz. »Jedes hat fünfzig Kanonen von vierundzwanzig Pfund Kaliber an Bord.«
»Ist das viel?«
»Sehr viel, Liebes. Es ist die schwerste Artillerie, die auf den Weltmeeren unterwegs ist.«
»Wozu brauchst du schwere Artillerie? In welches neue Abenteuer begibst du dich denn jetzt wieder?«
»Marie, du weißt doch, dass mir die Admiralität meines Landes vor Jahren das Korsarenpatent verliehen hat. Und du weißt auch, dass ich zum Teil mein Vermögen mit diesem Patent gemacht habe. Jetzt, im Krieg mit Spanien und Frankreich, ist das Geschäft sehr lukrativ geworden. Man macht ordentlich Beute. Meine Männer sitzen nicht tatenlos in Rio, sie werden in den nächsten Tagen wieder auf Beutezug gehen.«
Sie nahmen den Kaffee und den Digestif im Salon ein. »Mir wird angst und bange, wenn ich mir dich inmitten einer dieser Seeschlachten vorstelle! Was sollen
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