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Dem Winde versprochen

Dem Winde versprochen

Titel: Dem Winde versprochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florencia Bonelli
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gekommen? Warum hast du die Kutsche nicht vor dem Haus abgestellt? Es ist ein ungewohnter Anblick, dich hier zu sehen!«
    Blackraven hatte ihre Taille umfasst und führte sie durch die Höfe und Flure in das Haupthaus. Während sie munter drauflosplauderte, inspizierte er jeden Winkel. Kaum zu glauben – alles war so ordentlich und reinlich wie der Hof mit den Ställen. Als sie die Küche hinter sich gelassen hatten, änderten sich die Gerüche: Der zarte Duft von getrockneten Lavendelzweigen vermischte sich mit dem des Bienenwachses, mit dem man die Jakarandamöbel auf Hochglanz poliert hatte. Im großen Salon, in dem die Geselligkeiten und Bälle stattfanden, waren die Duftlampen bereits entzündet und das Jasminöl verteilte sich überall. Blackraven musste zugeben, er hatte sich beim Betreten eines Hauses, ob seines eigenen oder eines fremden, noch nie so wohl gefühlt.
    »Alles ist an seinem Platz, sauber und wohlriechend«, befand er, »sieht so aus, als habe man meine Ankunft gut vorbereitet.«
    »So sieht das Haus jeden Tag aus«, erklärte Béatrice.
    »Glückwunsch. Du hast bei Bustillo und Robustiana erreicht, was mir selbst mit Drohungen nicht gelungen ist.«
    »Oh, das ist nicht mein Werk. Du kennst mich doch, mein Lieber, ich bin viel zu träge. Außerdem hat mich niemand darauf vorbereitet, einen Haushalt zu führen, und eine Hazienda schon gar nicht. Das ist Miss Melodys Werk, die uns alle von Sonnenauf bis Sonnenuntergang wie Soldaten marschieren lässt. Doch ich beklage mich nicht. Ich bin voller Tatendrang und Freude. Ich fühle mich endlich nützlich.«
    Blackraven küsste sie auf die Stirn. Er war froh und glücklich, sie lachen zu sehen.
    »Du musst müde sein. Warum ziehst du dich nicht in dein Schlafzimmer zurück? Ich sorge dafür, dass man dir ein Bad einlässt«, sagte Béatrice.
    »Ich hatte keine Ruhe, ich habe mir Sorgen gemacht, Marie«, sagte er vorwurfsvoll und nannte sie bei ihrem richtigen Namen. »Als ich hörte, dass du allein mit Víctor in Retiro bist, dachte ich,
du hättest den Verstand verloren. Das ist ein gefährliches Gebiet voller Gesindel und übler Zeitgenossen. Was hast du dir nur dabei gedacht, hierherzukommen?«
    »Oh, Roger, reg dich nicht auf. Ich bin nicht allein. Ein ganzes Bataillon ist um mich herum, und ich wage mich nicht über die Grenzen des Anwesens hinaus. Es geht mir hier besser als seit vielen Jahren. Lieber, siehst du das nicht?«
    Später döste Blackraven im warmen Wasser vor sich hin. Danach stieg er aus der Wanne, kleidete sich an und ging in sein Arbeitszimmer, wo er sich an den Schreibtisch setzte. Er vertiefte sich in die Unterlagen und seine Korrespondenz, die sich im Laufe seiner Abwesenheit dort angesammelt hatte.
    Lachen und Kinderstimmen drangen aus dem Flur zu ihm herein. Blackraven legte das Dokument beiseite, das er gerade studierte, und lauschte. Er hörte nicht, was gesagt wurde, aber er erkannte Víctors Stimme, danach wieder Gelächter und dann die Stimme eines Erwachsenen. Es war das erste Mal, dass er Víctor lachen hörte. Vielleicht war einmal ein scheues Lächeln über seine Lippen gehuscht, aber ein helles, lautes Lachen? Noch nie.
    Er sah auf die Uhr: Es war elf Uhr morgens. Er stand auf, richtete seine Schleife, knöpfte die obersten Knöpfe seines Gehrocks zu und trat aus seinem Arbeitszimmer.
    Melody, Víctor und Jimmy blieben wie angewurzelt stehen, als sie ihn erblickten. Das Kinderlachen erstarb und wich einem Gesichtsausdruck zwischen Überraschung und Angst. Blackraven wusste, dass seine hünenhafte Gestalt ihm eine Autorität verlieh, die Víctor immer gefürchtet hatte, und auch bei dem anderen Jungen schien es so zu sein. Die Frau hingegen verwirrte ihn: Ihr Blick war kühl und herausfordernd, wie sich das nur wenige in seiner Gesellschaft erlaubten. Auch wenn das Haar zurückgebunden war, fiel ihm doch gleich die außergewöhnliche Farbe auf, die durch ihre sehr helle Haut noch unterstrichen wurde.
    »Señorita Isaura Maguire, vermute ich«, sagte er in perfektem Spanisch, doch sein Akzent verriet, dass er Engländer war.
    Sie machte nur eine knappe Verbeugung. Sie hatte beide Kinder an der Hand, als wollte sie sie unter ihre Fittiche nehmen, wie eine Mutter bei drohender Gefahr.
    »Ich bin Roger Blackraven, Víctors Vormund.«
    »Schwarzer Rabe«, sagte Melody, und Roger war verdutzt wegen des tiefen Klangs ihrer Stimme.
    »Verzeihung, was sagten Sie?«
    »Ich sagte: Schwarzer Rabe. Blackraven. Seiner Bedeutung

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