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Dem Winde versprochen

Dem Winde versprochen

Titel: Dem Winde versprochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florencia Bonelli
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die anderen die Warenlager plündern.«
    »Miss Melody sagt, bei dem Überfall heute Nacht seien die Wachen vorgewarnt gewesen und dass ihr nur durch ein Wunder entkommen konntet«, sagte Servando.
    »Kann sein, aber wir können es nicht mit Sicherheit sagen«, erwiderte Tomás.
    »Das mit dem Wunder stimmt«, sagte Pablo«, »doch vorher haben wir uns erlaubt, die Leute freizulassen und die Baracke anzuzünden. Die wenigen Sklaven, die sich darin befanden, sind Richtung Bajo geflohen.«
    »Das hat Miss Melody gar nicht erzählt«, wunderte sich Servando.
    »Sie weiß es nicht«, erwiderte Tomás. »Das hätte sie niemals zugelassen.«
    »Entschuldigung, Tomás, wenn ich euch zu nahetrete, aber es gefällt mir nicht, dass Miss Melody sich mit euch auf diese Abenteuer einlässt.«
    »Wir haben ihr von unseren nächsten Angriffen nichts erzählt«, gestand Pablo. »Wie Tomás schon gesagt hat, würde sie uns das nie erlauben. Für sie ist es eine Sache, die Brenneisen zu stehlen, und eine andere, diese Hundesöhne zu töten. Sie ist eine Frau mit einem weichen Herz.«
    Über seinen Zauberstab gebeugt, den er nie aus der Hand gab,
näherte sich Papá Justicia. Er trug elegante, aber verschlissene Kleidung und einen Zylinder, der zwar Mottenlöcher hatte, ihm nichtsdestotrotz aber eine Aura von Würde verlieh. Vor vielen Jahren, als er noch jung war, war es ihm gelungen, seinen Besitzer dazu zu bewegen, ihn freizulassen. Man munkelte, Don Eustaquio habe die Papiere im Bann eines Zaubers unterschrieben, den Papá Justicia nie mehr rückgängig machte, denn bis zu seinem Tod machte Eustaquio merkwürdige Dinge: Er ließ auch die übrigen Sklaven frei und heiratete eine einfache Frau aus dem Volk, die ihm mehrere Kinder schenkte. Die sonderbare Verwandlung Don Eustaquios machte Papá Justicia zum berühmtesten Medizinmann der Stadt. Einige sagten ihm sogar nach, er sei ein begnadeter Wahrsager. Er bewegte sich in verschiedenen Welten und war überall zu Hause.
    Vor der Tür seines Hauses im Viertel Mondongo warteten immer Leute. Sie befragten ihn nach ihrer Zukunft, nach Krankheiten, vertrackten Liebschaften, Fruchtbarkeit und Schwangerschaft, oder untreuen Ehegatten. Auch seine Heilkünste waren äußerst gefragt. Es hieß, mit den Beschwörungen und Trünken sei er reich geworden. Dazu kam noch das Geld, das er als Informant verdiente.
    Vor einiger Zeit hatte Papá Justicia aufmerksam der hellhäutigen jungen Frau mit den türkisfarbenen Augen gelauscht, die voller Leidenschaft zu ihm sagte: »Ich verstehe nicht, was euch daran hindert, dass ihr euch organisiert und endlich gegen die aufbegehrt, die euch unterdrücken. Ihr seid so viele! Manchmal denke ich, es gibt mehr Afrikaner als Spanier und Kreolen hier.«
    Papá Justicia fiel sofort auf, dass sie nicht »Sklaven« oder »Neger«, sondern »Afrikaner« sagte. Das Wort ging ihr leicht über die Lippen.
    »Wenn ich die Leute aus meinem Land richtig einschätze, dann liegt das daran, dass sie sogar hier an diesem fernen Ort
der Unterdrückung jene Stammesfehden fortführen, die schon in Afrika für Uneinigkeit sorgten. Ich fürchte, es wird nicht leicht sein, sie bei all der Zwietracht zusammenzubringen. Und dass sie sich auf einen Führer einigen, ist fast unmöglich.«
    Diese Leute aufzustacheln, die ihm manchmal wie Kinder vorkamen, würde in einem ungleichen Kampf enden, den sie mit Sicherheit verlieren würden, Überzahl hin oder her. Unterernährt und ohne Waffen würden sie ein erbärmliches Heer abgeben. Das war auch Miss Melody schmerzlich klar. Das Einzige, was man tun konnte, war, die Lebensbedingungen der Sklaven am Río de la Plata zu verbessern. Ein sinnloses Massaker musste vermieden werden. Man würde abwarten.
    »Guten Abend«, grüßte Papá Justicia und hob nur ganz leicht den Zylinder.
    Pablo bot ihm neben sich einen Platz an und reichte ihm einen Mate.
    »Wie geht es Miss Melody und dem kleinen Jimmy, Servando? Ich habe gehört, der Herr Roger ist eingetroffen.«
    »Es geht ihnen gut, Papá. Und der Patrón ist eingetroffen, ja. Groß gewachsen und ein Gesicht wie ein Schurke, genau wie Sie gesagt haben.«
    Tomás spuckte zur Seite und stieß eine Beleidigung aus.
    »Aber, aber, mein Junge«, beschwichtigte ihn Papá Justicia, »reg dich nicht auf. Der Mann ist sehr reich und mächtig. Vielleicht kann er uns nützen.«
    »Bevor ich einen Engländer um Hilfe bitte, verkaufe ich meine Seele dem Teufel höchstpersönlich.«
    »Sei still!«, erwiderte

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