Dem Winde versprochen
bekommen hatten; man erzählte sich, der Gutsherr habe es aus Wut über Miss Melody verboten.
Die fahrenden Händler kannten Servando und grüßten ihn. Genau wie die Sklaven gehörten auch diese Männer zu einer Kaste von Geächteten. Sie kamen aus dem Landesinneren des Vizekönigreiches, aus Mendoza, Córdoba und Tucumán, einige sogar aus Alto Perú mit ihren Karren voller Waren für die Stadt. Um nicht mit leerem Wagen zurückfahren zu müssen, boten sie ihre Dienste als Transporteure vor allem den Gerberei- und Pökeleibesitzern an. Manchmal vergingen Wochen, bis sie einen Auftrag bekamen, und so bauten sie die Karren auseinander und verwendeten sie als Unterschlupf. Es gab viele Händler und wenig Arbeit.
Vor Jahren, 1783 , hatte Vizekönig Vértiz ihnen untersagt, nach Buenos Aires hineinzufahren, mit dem Argument, die schweren Karren mit den riesigen Rädern würden die Straßen zerfurchen und damit noch unpassierbarer machen. Man wies ihnen ein Gebiet im Norden der Stadt zu, das bis auf ein paar Landgüter und das Kloster der Recoletos-Pater unbewohnt war; dort machten sie Station und warteten auf Ware für den Rückweg. Die Anwohner verachteten sie, sie nannten sie Landstreicher, Diebe und Faulenzer. Man bezichtigte sie, Verbrecher oder flüchtige Sklaven zu verstecken, und warf ihnen vor, dass durch ihre unerwünschte Anwesenheit der Plan, die Alameda bis nach Retiro auszuweiten, im Sande verlaufen sei.
Tomás und Pablo waren nicht nur Wanderherdenführer, sondern sie mischten im Feldlager auch beim Kauf und Verkauf von Vieh mit. Diese Händler genossen keinen guten Ruf, denn man sagte ihnen nach, sie verkauften gestohlenes Vieh.
Tomás erblickte Servando von weitem und rief ihn zu sich. Zusammen mit Pablo trank er gerade Mate und spielte Karten, obwohl das Glücksspiel verboten war. Servando setzte sich auf den Boden und nahm den Mate, den man ihm reichte.
»Ich bin gekommen, weil Miss Melody verrückt vor Sorge um Sie ist, Don Tomás.«
»Ist sie denn wohlauf?«, fragte Pablo, den Blick starr auf die Karten gerichtet, damit man ihm seine Unruhe nicht anmerkte.
»Ja, ist sie. Sie sagte, Fuoco mit seinem rasanten Galopp habe sie gerettet. Wenn dieses Pferd nicht wäre … Nicht auszudenken!«
»Und wenn sie nicht so eine hervorragende Reiterin wäre«, fügte Pablo hinzu.
»Kommt!«, befahl Tomás und warf die Karten hin.
Pablo und Servando folgten ihm. Bis zu dem Moment hatten sie noch nichts Verräterisches gesagt, und von dem, was sie zu besprechen hatten, durfte niemand etwas mitbekommen. Seit einiger Zeit waren Pablo und Tomás an der Vorbereitung eines Sklavenaufstands beteiligt. Beide waren gegen die Sklaverei, so wie Fidelis Maguire es sie gelehrt hatte. Bei dem Angriff auf die Sklavenlager würden sie jedoch auch ordentlich Beute machen und diese mit sattem Gewinn im Landesinneren verkaufen können. Der Aufstand sollte die Gesellschaft bis ins Mark erschüttern und sie ins Wanken bringen. So würden sie mit Gewalt das erreichen, was ihnen auf andere Weise niemals gelänge: eine menschlichere Behandlung der Sklaven und vielleicht sogar die Abschaffung der Sklaverei. Für sie hatte die korrupte spanische Regierung ausgedient, und der Wunsch nach Unabhängigkeit war eine große Triebfeder. Die Angst wurde zur überzeugendsten Waffe. Der Überfall in der vergangenen Nacht, bei dem sie die Brandeisen der Real Compañía de Filipinas gestohlen hatten, war erst der Anfang.
»Es ist beschlossene Sache, dass Álzaga, Sarratea und Basavilbaso, die Hauptsklavenhändler von Buenos Aires, sterben sollen«, sagte Tomás.
Servando nickte. Seit langem schon sann er auf Rache. Die Möglichkeit, denen den Strick um den Hals zu legen, die sich auf Kosten seiner Leidensgenossen bereicherten, hielt er für einen guten Anfang. Er würde nicht lockerlassen, bis er jedes Glied der
Kette des verbrecherischen Ringes bis hin nach Afrika vernichtet hatte. Pangú wäre der Letzte in der Reihe. Ein guter Jäger hielt niemals inne, wenn er seine Beute verfolgte. Erst wenn das Tier erlegt, ausgeweidet und gehäutet war, würde er zufrieden sein.
»Diese Verschwörungen gefallen mir nicht«, sagte Pablo. »Da stecken zu viele Leute mit drin. Man verliert die Übersicht, und Verräter gibt es immer.«
»Aber man braucht so viele Männer«, rechtfertigte sich Tomás. »Das ist eine große Sache. Wie du weißt, gehen allein drei Gruppen in die Sklavenlager, befreien die Sklaven und bringen sie nach Tambour, während
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