Dem Winde versprochen
Die vorherrschenden Farben, Blau und Silber, gefielen ihr. Sie fragte sich, ob es die Farben des Hauses Guermeaux waren.
Das an der Wand musste ein Kaminofen sein. In Europa waren sie weit verbreitet, aber nicht am Río de la Plata. Davor befand sich eine Bronzeplatte, um den teuren Perserteppich zu schützen. Die zum Kamin hin ausgerichtete dreiteilige Sitzgruppe aus grünem Leder mit Knöpfen im Rückenteil und an den Kissen verbreitete eine heimelige Atmosphäre. Die halb geöffnete Tür zur Bibliothek gab den Blick auf einen Billardtisch frei.
Blackraven setzte sich ihr gegenüber, das Glas in der Hand. »Sagen Sie mir, was das Schiffsmodell für mein Patenkind gekostet hat. Ich werde Ihnen das zusätzlich zu Ihrem Wochenlohn zahlen.«
»Es war ein Geschenk«, sagte Melody gekränkt.
»Das bleibt es ja auch.«
»Das bleibt es nicht, wenn Sie mir das Geld ersetzen, das ich dafür bezahlt habe.«
»Es ist eine exzellente Miniatur. Sie muss ein Vermögen gekostet haben. Sagen Sie mir, wie viel. Víctor wird nichts davon erfahren.«
»Ich pflege die Menschen, die ich liebe, nicht zu hintergehen.«
»Sie sind die störrischste Frau, mit der ich je zu tun hatte.«
»Bedaure, aber ich werde Ihr Geld nicht annehmen.«
Blackraven atmete vernehmlich aus. Er bat sie, ihm von Víctors Fortschritten zu berichten, und fragte sie, ob man ihn möglicherweise auf eine Universität schicken könne. Melody freute sich, dass Blackraven an der Zukunft des Jungen interessiert war. Instinktiv hatte sie ihn abgelehnt, nicht nur weil er Engländer war, sondern weil er dem Jungen so wenig Zuwendung schenkte, der ihn wie einen Vater anhimmelte.
»Víctor liebt Sie sehr, Mister Blackraven. Er vermisst Sie und ist traurig, weil Sie nie da sind. Das ist nicht gut für ihn.« Mit einer solchen Bemerkung hatte Blackraven nicht gerechnet.
»Nicht gut für ihn ist, wie Sie ihn verhätscheln. Dadurch wird er schwach und affektiert. Ich will, dass ein Mann aus ihm wird. Was wissen Sie schon über die Erziehung eines Kindes?«
»Ich weiß, dass ein Kind Liebe genauso sehr braucht wie Nahrung, um gesund und stark zu werden.«
Das Wort traf ihn. Es gehörte nicht zu seinem Wortschatz. Die Umstände hatten es aus seinem Herzen ausgelöscht. Es gab einmal eine Zeit, in der er sich geliebt gefühlt hatte, und die Zärtlichkeiten seiner Mutter hatten ihn glücklich gemacht. Doch das Leben hatte ihn hart gemacht und ihm gezeigt, dass ein Mann, wenn er siegreich sein will, auf romantische Vorstellungen verzichten musste.
»Liebe«, spottete er. »So ein Unsinn! Was Víctor braucht, ist eine feste Hand, die ihn führt, und viele Stunden Paukerei.«
»Sie reden Unsinn, Sir. Natürlich braucht Víctor eine feste Hand und viele Stunden Paukerei. Aber um ihn zu einem
Mann mit edlem Herzen zu machen, muss man ihn lehren zu lieben. Sich selbst und seine Mitmenschen, insbesondere die Schwachen.«
»Die Sklaven zum Beispiel?«
»Zum Beispiel.«
»Ich bin mit Ihren Methoden nicht einverstanden, Señorita Isaura. Für mein Patenkind wünsche ich andere.«
Melody stand auf, und Blackraven tat es ihr gleich.
»Sie sollten meine Methoden nicht zu schnell verurteilen, Sir. Sie sollten wissen, als ich Víctor übernahm, war er ein krankes, furchtsames Kind, das bei der kleinsten Schwierigkeit anfing zu weinen und sich den ganzen Tag aus Angst vor den anderen versteckte. Ganz zu schweigen von seinen häufigen Anfällen. Jetzt hingegen sieht er gesund aus. Er isst mit Appetit, lacht oft, hat beim Lernen große Fortschritte gemacht und wird immer wagemutiger. Er will jetzt sogar reiten lernen. Haben Sie nicht bemerkt, dass er sich sogar getraut hat, das Wort an Sie zu richten, um Sie nach der Fregatte und der Schlacht zu fragen? An Sie, den er am meisten liebt und fürchtet auf dieser Welt. Nun, Mister Blackraven, in Anbetracht dieser Tatsachen möchte ich behaupten, dass meine Methoden meinem Schüler nicht schaden. Ich werde ihm weiterhin meine Zuneigung zeigen und ihn anhalten, dass er sie anderen entgegenbringt, insbesondere den Schwachen. Wenn Sie damit nicht einverstanden sind, müssen Sie mich entlassen.«
In weniger als zwölf Stunden hatte dieses widerspenstige Mädchen ihm dreimal den Wind aus den Segeln genommen. Isaura Maguire war ein äußerst seltenes Geschöpf: Sie war intelligent und hatte ihre Prinzipien. Er war innerlich zerrissen: Körperlich von ihr angezogen, verspürte er dennoch den Wunsch, sie zu unterwerfen. Ja, vor allem das –
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