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Dem Winde versprochen

Dem Winde versprochen

Titel: Dem Winde versprochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florencia Bonelli
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durchsickern.«
    »So sei es, Herr Roger.«
    »Ich werde Somar entsprechende Anweisung geben. Er wird fortan dein Kontaktmann sein. Du wirst ihn über den Plan auf dem Laufenden halten. Ich will alles wissen.« Papá Justicia nickte. »Und jetzt sag mir, welche Ausländer in der letzten Zeit nach Buenos Aires gekommen sind!«
    Sein Kontaktmann beim Zoll könnte ihm Namen, Nationalität und Einreisedatum von jedem nennen, der sich am Río de la Plata aufhält. Aber Blackraven wollte Papá Justicias Einschätzung hören.
    »An wichtigen Leuten nur ein schottischer Geschäftsmann, William Traver, der Ihrer Cousine den Hof macht. Zwei französische Brüder, Didier und Jean-Baptiste Chermont. Sie haben in Entre Ríos Land gekauft, um Reis anzupflanzen. Vor kurzem ist ein italienischer Porträtmaler eingetroffen, der die Damen und ihre Kinder malt, auch Doña Bela. Sein Name ist Piero Mascarti. Ah, und der Friseur natürlich, ein Franzose, Just Levant, der vor ungefähr einem Jahr eintraf. Aber er musste fliehen, weil er ein Dieb ist. Während er Köpfe frisierte, hat er den Damen die Juwelen geklaut. Soweit ich weiß, lebt er jetzt unter anderem Namen in Montevideo.«
    »Treffen sich diese Kreolen noch, um über ihre Unabhängigkeitsbestrebungen zu reden?«
    »Ja. Es sind sogar noch einige hinzugekommen. Einer mit einer sehr spitzen Zunge: Mariano Moreno, Doktor der Juristerei, aus Chuquisaca.«
    Blackraven wollte alles über jeden Kreolen wissen, der an den geheimen Treffen teilnahm – Namen, Lebensumstände, Tätigkeiten
–, und er erkundigte sich nach dem Vizekönig, Marqués Rafael de Sobremonte, der seit der Kriegserklärung zwischen England und Spanien damit beschäftigt war, ein Heer aus verarmten, undisziplinierten und schlecht ausgerüsteten Soldaten zusammenzustellen. Laut Papá Justicia traute Sobremonte sich nicht, die Soldaten mit Waffen auszustatten, weil er glaubte, sie seien von der Partei der Unabhängigkeitskämpfer beeinflusst, die zunehmend an Macht gewann. Immer wieder schrieb er an Manuel Godoy, den Premierminister von Karl IV ., setzte ihn davon in Kenntnis, dass Buenos Aires einem Angriff der Engländer nicht standhalten könne, und bat um Rekruten, Waffen und Munition. Godoy antwortete, er könne seiner Bitte nicht nachkommen, er solle zusehen, wie er mit dem zurechtkomme, was er habe. Aus militärischer Sicht hatte die spanische Regierung, unter Druck geraten durch die Ereignisse in Europa, ihre Kolonien aufgegeben.
    Im Jahr zuvor hatte Sobremonte einen gehörigen Schrecken bekommen, als er hörte, dass englische Schiffe unter dem Befehl eines gewissen Kommodore Popham den Hafen von Bahía in Brasilien angelaufen hatten, um sich mit Proviant zu versorgen. Nicht nur der König, das ganze Volk hatte geglaubt, jetzt sei die Stunde gekommen, das berühmte englische Feuer am eigenen Leib kennenzulernen. Doch das Geschwader nahm stattdessen Kurs auf Afrika, und nichts geschah. Den Leuten war ein Stein vom Herzen gefallen.
    »Popham hast du gesagt?«
    »Ja, Herr Roger. So habe ich es verstanden. Popham.«
    Blackraven fragte ihn, was bestimmte Personen trieben, die er für verdächtig hielt. An erster Stelle die Brüder Liniers aus Frankreich, die sich aus wirtschaftlichen und persönlichen Interessen in Buenos Aires aufhielten. Santiago, der Jüngere, kümmerte sich um die heruntergekommene Flotte des Vizekönigreichs. Nach Ansicht von Blackraven würde er für Reichtum und ein
wenig Anerkennung dem Teufel seine Seele verkaufen. Außerdem interessierte er sich für den amerikanischen Händler William White, einen engen Freund der Liniers und der Familie Perichon de Vandeuil, die er auch überwachen ließ. Nicht nur, weil sie Franzosen waren, sondern wegen der starken Interessen, die sie mit denen verbanden, die eine Intervention Napoleons in Buenos Aires gewünscht hätten.
    Blackraven konnte es förmlich riechen: In Buenos Aires wimmelte es von französischen, englischen und portugiesischen Spionen. Man musste sie enttarnen und unschädlich machen.
    Im Verlauf seines Lebens hatte Blackraven einen untrüglichen Instinkt dafür entwickelt, wem er trauen konnte und wer sich an den Meistbietenden verkaufte. Und Buenos Aires, wo man es leicht zu etwas bringen konnte, hatte eine Menge zweitklassiger Spione angezogen. Sie mussten verschwinden, denn sie machten das Szenario unübersichtlich. Für ihn war Buenos Aires wie ein Schachbrett mit mehreren Spielern und Hunderten von Figuren, deren Züge für die

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