Dem Winde versprochen
Gegner vernichtend sein konnten.
Plötzlich kam ihm wieder der Name Isaura Maguire in den Sinn.
»Du hast dem Bruder von Miss Melody ein Tonikum verabreicht?« Papá Justicia sah ihn befremdet an. »Leidet er unter einer schweren Krankheit?«
»Seine Lungen. Sie sind schwach.«
»Schwindsucht?«
»Nein. Miss Melody sagt, sie seien unterentwickelt, sie könnten nicht den ganzen Körper mit Luft versorgen. Er hat Schwierigkeiten beim Atmen und wird schnell krank.«
»Wird er sterben?«
»Manchmal denke ich, Jimmy Maguire überlebt nur wegen des starken Willens seiner Schwester.«
Dieses Bekenntnis betrübte Blackraven.
»Was kannst du mir über Miss Melody sagen, Justicia?«
»Sie kommt vom Land, soweit ich weiß, aber wie Sie selbst sehen konnten, ist sie sehr fein und gebildet. Als sie Waise wurde, musste sie für sich und ihren Bruder den Lebensunterhalt verdienen, deshalb ist sie in die Stadt gekommen. Viel mehr weiß ich nicht, Herr Roger. Miss Melody ist sehr verschlossen.«
Papá Justicia schwieg, und Blackraven ahnte, dass der alte Mann ihm nicht alles sagte, was er wusste.
»Hier«, sagte er und übergab ihm ein Ledersäckchen mit Münzen. »Es ist schon spät. Du kannst in der Baracke schlafen. Ich werde dir etwas zu essen bringen lassen.«
»Danke, Herr. Ich gehe zum Fluss und schlafe bei den fahrenden Händlern.«
»Das ist weit.«
»Die Nacht ist wunderbar für einen Spaziergang.«
Blackraven verabschiedete sich und ging zum Haus. Es war in der Tat eine herrliche, warme Nacht. Er zog das Jackett aus und lockerte den Kragen seines Hemdes. Dann begab er sich hinein. Als er in der Küche war, hörte er Schritte im Innenhof. Vielleicht ein Sklave. Trotzdem ergriff er das Rapier und spähte aus dem Fenster in die Dunkelheit. Er konnte eine Gestalt erkennen, die sich auf ihn zubewegte. Die Küchentür ging auf – der Fremde hatte offensichtlich die Absicht, sich Zugang zum Haus zu verschaffen.
Blackraven hielt die Gestalt von hinten fest und drückte ihr die Klinge an die Kehle, aus der ein erstickter Schrei kam: »Bitte, tun Sie mir nichts!«
»Isaura!«, sagte Blackraven überrascht, drehte sie zu sich um und drückte sie mit einer Hand gegen die Wand.
Obwohl ihm viele Gedanken durch den Kopf schossen, erzürnte ihn die Vorstellung, dass sie sich bestimmt mit ihrem Liebhaber getroffen hatte. Eine Frau wie Isaura Maguire konnte
unmöglich allein sein. Wer war dieser Mann, der sich zwischen ihre Schenkel legen durfte? Er fühlte sich erregt und lächerlich, was nicht gerade dazu beitrug, seinen Jähzorn zu zügeln.
»Was tun Sie hier draußen?«
»Ich konnte nicht schlafen. Ich habe ein wenig frische Luft geschnappt.« Blackraven glaubte ihr kein Wort und drückte mit der Hand noch fester gegen ihre Schulter.
»Sie tun mir weh. Lassen Sie mich auf mein Zimmer gehen.«
»Wo kommen Sie her? Mit wem haben Sie sich getroffen?«
»Mit niemandem. Wie ich Ihnen schon sagte, ich habe ein wenig frische Luft geschnappt.«
Sie versuchte, ihn wegzuschieben, aber ohne Erfolg. Sie hatte das Gefühl zu ersticken und bekam kein Wort mehr heraus. Sie war ihm ausgeliefert. Panik machte sich in ihr breit, und ihre Knie wurden weich.
Das durch die Scheiben dringende Mondlicht umspielte ihr Gesicht. ›Wie schön sie ist‹, dachte er. Seine Hand wanderte von der Schulter über ihren Hals bis zum Kinn. Er spürte ihren raschen Atem an seinem Kinn.
»Isaura«, flüsterte er.
Er hörte sie schluchzen.
»Hab keine Angst«, sagte er, doch sie sah ihn weiterhin an, als würde er sie jeden Moment töten wollen.
»Lassen Sie mich!«, flehte sie leise.
Die herausfordernde und unberechenbare Isaura Maguire war verschwunden. An ihrer Stelle stand jetzt ein zitterndes Geschöpf, das um sein Leben fürchtete. Er ließ sie gehen. Sie rannte auf ihr Zimmer.
Blackraven fluchte und schob das Rapier wieder zurück in die Scheide. Er fragte sich, was mit ihm los war. Gewiss, Isaura Maguire war schön, aber er hatte weit beeindruckendere Frauen geliebt und niemals den Verstand verloren. Die Erregung wollte
nicht nachlassen, und das demütigte ihn. Er warf sich vor, dass er über wichtigere Dinge wie den Kommodore Popham, die Unabhängigkeitskämpfer und die sich in Buenos Aires überall breitmachenden Jakobiner nachdenken sollte. Brüsk drehte er sich um und verließ den Raum.
Kapitel 8
Notizen eines Mörders
Eintrag von Samstag, dem 16 .März 1805
Der Schwarze Skorpion bewegt sich weiter, ohne Spuren zu
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