Dem Winde versprochen
das reinste Geschöpf, das dir je im Leben begegnet ist.‹
Was ihm zusätzlich Kopfschmerzen bereitete, war der Name, den Papá Justicia erwähnt hatte: Popham. Er kannte einen englischen Kommodore mit diesem Namen, Sir Home Popham, ein Freund des Venezolaners Francisco de Miranda. Dieser war durch ganz Europa gezogen und hatte um Unterstützung für einen Angriff gebettelt, um Venezuela aus der spanischen Herrschaft zu befreien. Blackraven kannte beide gut, und es war nicht abwegig, dass sie beide womöglich einen Angriff auf Montevideo oder Buenos Aires planten. Er musste sie loswerden.
All diese Angelegenheiten hatten ihn immer bis zum frühen Morgen wach gehalten. Die Korrespondenz brauchte ihre Zeit, und zudem kam Bela jede Nacht gegen zwölf in Begleitung von Cunegunda zu ihm. Er hatte ihr schließlich einen Schlüssel für die Haupttür gegeben, damit sie nicht jedes Mal klopfte. Die Sklaven sollten davon nichts mitbekommen. Es fiel ihm immer schwerer, sie zu befriedigen, und sie merkte das. Isaura Maguire fesselte ihn mehr als jede Frau zuvor.
Er erkannte sie von weitem. Sie sprach mit Servando, dem Sklaven, den Valdez e Inclán eingekauft hatte, um die Sklavinnen zu befruchten. Tagsüber verdingte er sich als Ausweider, das war eine der erniedrigendsten Aufgaben unter den Sklaven. Er sah ihn sich zum ersten Mal genau an: Er war jung, vielleicht fünfundzwanzig, schlank, groß und drahtig und strotzte vor Gesundheit. Davon zeugten die vier schwangeren Sklavinnen in der Calle Santiago. Er fragte sich, ob er auch schon eine in El Retiro geschwängert hatte.
Er ging auf sie zu, entschlossen, Melody von ihm wegzuholen. Warum lachten sie? Was hatte ein Neger wie er, blutverschmiert und nach Rindereingeweiden stinkend, mit Isaura zu tun? Servando sah ihn kommen und schwieg. Melody schaute sich um,
wandte sich aber sogleich wieder Servando zu, als sie sah, um wen es sich handelte.
»Schon gut, Babá, ich kümmere mich darum«, hörte er sie sagen. »Geh jetzt zurück in die Schlachterei.«
»Guten Tag, Herr Roger«, sagte Servando ohne Anzeichen von Furcht.
»Worum werden Sie sich kümmern?«, fuhr er sie an. Und zu dem Sklaven sagte er: »Was ist, hast du in der Schlachterei nichts zu tun?«
»Es war meine Schuld«, sagte Melody, immer noch mit dem Rücken zu ihm. »Ich habe ihn um einen Gefallen gebeten.«
»Darf man erfahren, um was für eine Art von Gefallen es sich handelt?«
»Etwas Persönliches. Geh schon, Babá. Du hast schon genug Zeit mit mir verschwendet.«
»Sie erlauben, Herr Roger«, sagte Servando, verneigte sich kurz und zog von dannen.
Melody wollte zurück ins Haus gehen, aber Blackraven hielt sie am Arm fest.
»Wie haben Sie ihn genannt?«
»Babá.«
»Sehen Sie mich an. Warum sehen Sie mich nicht an?«
»Ich kann nicht.«
»Warum?« Melody schwieg. »Wegen heute Morgen?«
»Bitte erniedrigen Sie mich nicht.«
»Warum haben Sie ihn Babá genannt?«, fragte er herrisch.
»Weil er so heißt.«
»Sein Name ist Servando.«
»Nein«, widersprach Melody und hob den Blick. »Den Namen hat er bekommen, als man ihn in Afrika auf das Schiff brachte. Er heißt Babá, und ich nenne ihn so. Würde es Ihnen gefallen, Mister Blackraven, wenn man von heute auf morgen Ihren Namen ändern, Sie aus dem Schoß Ihrer Familie reißen
und an einen fernen Ort bringen würde, zu Menschen, die Sie nicht kennen und die Ihnen keinerlei Zuwendung entgegenbringen?«
Die Frage schien ihn getroffen zu haben. Er wandte den Blick ab und schaute in die Ferne. »Nein, natürlich nicht. Würden Sie sich um mich kümmern und so liebevoll mit mir umgehen wie mit Babá, wenn ich so etwas durchgemacht hätte?«
»Mister Blackraven, ich kann mir keine Situation vorstellen, in der Sie Mitleid bei mir hervorrufen würden.«
Zu Melodys Erstaunen war er nicht beleidigt. »Sie verachten mich, weil ich Engländer bin und Sklaven halte.«
»Nein, ich verachte Sie nicht.« Sie traute sich nicht hinzuzufügen: Obwohl ich es sollte.
»Was haben Sie Babá aufgetragen?« Mit ihrem Schweigen wollte er sich nicht zufriedengeben. »Wenn es um das Schicksal eines meiner Sklaven geht, will ich es wissen. Ich werde mich des Problems annehmen.«
»Es handelt sich nicht um das Schicksal eines Ihrer Sklaven.«
»Auch wenn es sich um das Schicksal irgendeines anderen Sklaven handelt«, er wurde langsam ungeduldig, »kommen Sie von heute an mit diesen Dingen zu mir.«
»Doktor Covarrubias … «
»Doktor Covarrubias ist dafür
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