Dem Winde versprochen
Blackraven nicht so sehr auf Kriegsfuß, wie man uns zugetragen hat.«
»Wenn du dich nicht beeilst«, stichelte Bela, »wird ein anderer die Frucht anknabbern, nach der es dich so gelüstet.« Diogo nickte. »Warum verführst du sie nicht? Du kennst dich aus mit Frauen. Ich verstehe nicht, worauf du wartest.«
»Ich habe schon vor Monaten um ihre Hand angehalten.«
»Das hast du mir ja gar nicht erzählt!«
»Sie hat mich zurückgewiesen.«
»Was für eine eingebildete Person.«
»Sie sagte, sie werde niemals heiraten.«
Bela beobachtete ihren Bruder aus den Augenwinkeln und sah das lodernde Begehren und die Eifersucht hinter dem scheinbar unbekümmerten Gesichtsausdruck.
»Entführe sie, Diogo. Dann bleibt ihr nichts anderes übrig, als dich zu heiraten.«
Aus Diogos Mund kam ein hohles, künstliches Lachen. »Ich begehre sie, Bela, aber ich werde wegen ihr nicht meinen Kopf riskieren. Ich kenne Blackraven, und ich werde mich ihm nicht in den Weg stellen. Im Gegensatz zu dir weiß ich, wann es an der Zeit ist, sich aus der Schlacht zurückzuziehen. Dann werde ich eben mit Madame Odiles Mädchen vorliebnehmen. Und du, Schwesterherz, solltest dir einen anderen Liebhaber suchen, damit du nicht die grausame Seite von Blackraven kennenlernst.«
Die Gruppe versammelte sich in El Retiro. Die einen kamen zu Fuß, die anderen mit der Kutsche. Die Familie Valdez e Inclán fuhr in ihrer Tartane ein und erging sich sogleich in Lobeshymnen über das prächtige Haus mit seinen vierzig Zimmern. Bernabela schwor sich: ›Eines Tages wird das alles mir gehören.‹
Vor dem Säulengang drängte sich eine Menschenmenge. Das Geschrei war schon von weitem zu hören. Man sah, wie Sansón wild von einer Seite zur anderen lief, bellte und in die Luft biss. Blackraven hielt sich die Hand über die Augen und sah, dass es sich um einen Streit handelte. Er ließ Béatrices Arm los und rannte zum Haus.
»Bloß nicht rennen!«, befahl Melody Jimmy und lief hinter Blackraven her.
Es waren Servando und Sabas, die sich stritten. Melody unterdrückte
einen Schrei, als sie sah, wie Sabas vor seinem Gegner mit dem Messer herumfuchtelte. Sie hatte Sabas nie recht gemocht, aber in dem Moment jagte er ihr regelrecht Angst ein. Der verächtliche und verschlagene Gesichtsausdruck hatte sich in eine böse Maske verwandelt. Seine Augen waren blutunterlaufen, und er bleckte die Zähne wie ein Hund. Man würde ihn nicht nur wegen des Aufruhrs bestrafen, sondern auch wegen des Messers. Sklaven durften keine Waffen verwenden. Sie durften nicht einmal mit Metallbesteck essen, sodass sie sich selbst welches aus Holz schnitzten. Selbst wenn Melody gewollt hätte, würde sie ihn nicht vor Blackravens Strafe bewahren können.
Dieser zog seinen Überrock aus und reichte ihn Somar, der sich ebenfalls zu den Zuschauern gesellt hatte.
»Sabas! Gib mir das Messer!«, brüllte er.
Sabas und Servando bekamen von dem ganzen Tumult um sie herum nichts mit. Nicht einmal Blackravens Stimme konnte sie aus dem Strudel aus Hass reißen, in dem sie gefangen waren. Melody kannte diesen Blick an Servando gar nicht. Jetzt sah sie den afrikanischen Jäger vor sich, und sie hatte den Eindruck, als würde er Gefallen an dem Kampf finden.
»Ich werde dich töten«, schrie Sabas. »Damit du sie nie wieder anfasst. Sie gehört mir.«
Es ging offenbar um eine Frau. Nur mit seinem Zorn bewaffnet, stürzte sich Servando auf Sabas. Sie rollten über den Boden, und das Geschrei wurde lauter. Sabas gelang es, Servando mit dem Rücken auf den Boden zu drücken, und er hielt ihm das Messer ans Auge. Der Wolof packte seine Hand und konnte sie mit Mühe wegschieben.
Blackraven packte Sabas am Hosenbund und stieß ihn beiseite wie eine Puppe. Der Schwarze fluchte laut und stand schwerfällig auf. Er war betrunken, stieß Beleidigungen aus und fuchtelte wieder mit dem Messer. Ein Fußtritt, und das Messer fiel zu Boden. Als Sabas mit Fäusten auf Blackraven losging, verpasste dieser
ihm einen Hieb in die Magengrube, dass der Sklave in die Knie ging. Melody dachte, dass Blackraven am Ende eines Kampfes wohl immer derjenige war, der noch stand. Seine Muskeln waren angespannt, und auf Bauchhöhe war das Hemd gerissen.
»Babá«, befahl Blackraven, »steh sofort auf!«
Der Sklave schaute ihn verdutzt an. Erst jetzt schien er die Anwesenheit seines Herrn zu bemerken. Sein Blick wanderte über die umstehenden Leute und blieb an dem Señorita Eliseas hängen, die mit ihrer Mutter und
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