Dem Winde versprochen
dagegen auf. Sei glücklich. Hab keine Angst. Gott hat dich für all das Leid entlohnt und dich den Händen eines Mannes wie Roger Blackraven anvertraut. Lass dich nicht durch Ängste und Vorurteile daran hindern, glücklich zu werden. Geh, mein Kind, geh. Möge Gott dich segnen.«
Aus der Kutsche winkte Melody ihnen zu, bis Madame Odile und die Mädchen nicht mehr zu sehen waren. Sie erschrak, als Blackraven den Sichtschutz herunterließ und sagte: »Dein Rücken ist wirklich entzückend, aber ich muss dich jetzt unbedingt küssen.«
Melody schloss die Augen und hielt den Atem an, als seine Hände ihre Taille entlang zu ihrem Bauch glitten. Er drückte sie gegen seine Brust, schob den Zopf beiseite und küsste ihren Hals. Melody seufzte, und Blackraven murmelte: »Wie wunderbar du duftest!«
Er schob eine Haarsträhne aus ihrer Stirn und sah sie eindringlich an.
Was für ein Leid hast du erfahren?
, fragte er sich.
Wer hat es gewagt, dir das anzutun? Ich werde ihn mit meinen eigenen Händen töten. Das schwöre ich
.
»Warum sehen Sie mich so an?«
»Ich möchte dich immer so in Erinnerung behalten wie in diesem Augenblick – so schön, so voller Jugend. Rein und weit weg von der Niedertracht der Welt, deren Teil ich bin. Du bist wie eine sanfte Brise, die die bleierne Schwere aus meinem Leben vertreibt. Du bist anders als alles, das ich kenne. Du überraschst mich immer wieder, und das ist nicht leicht bei jemandem wie mir. Wer bist du, Isaura Maguire?«
»Ich bin ein Niemand, das habe ich doch gestern schon gesagt. Sie glauben mir einfach nicht.«
»Von jetzt an gilt: Wenn jemand dich fragt, wer du bist, dann sagst du, die Frau, die Blackraven den Schlaf raubt und die er begehrt wie sonst nichts auf der Welt.« Melody lächelte geschmeichelt.
»Lach nicht! Heute Morgen bin ich fast verrückt geworden, als ich dich nicht finden konnte. Zum Glück wusste Miora, wo du warst. Warum bist du zu Madame Odile gegangen?«
»Ich wollte mit ihr sprechen.«
»Meinetwegen?«
Melody schaute zu Boden und nickte.
Dann sah sie ihn an. Blackraven war ein schöner und starker Mann. Mit der Fingerspitze zeichnete sie die Konturen seines Gesichtes nach, das Kinn, die Nase, die Augenbrauen, dann berührte sie seine Lippen. Er hatte die Augen geschlossen. Es war keine Spur von Verschlagenheit mehr in seinem Gesicht.
In der Kabine der Kutsche war es spürbar heißer geworden, und das Korsett klebte an ihrem Körper. Blackraven neigte seinen Kopf, bis seine Lippen die ihren berührten. Er glühte innerlich. Seine Hände glitten über ihren Körper, und er drückte sie an sich, als sollten sie beide eins werden. Melody war wie berauscht.
»Du darfst nie mehr das Haus verlassen, ohne mir Bescheid zu geben«, sagte er schließlich und legte seine Stirn an ihre. »Hier in der Gegend gibt es viel Gesindel, Isaura. Wenn dir etwas passiert!« Er nahm ihr Gesicht in seine Hände. »Du teuflisches kleines Geschöpf, was hast du nur mit mir gemacht?«
»Es tut mir leid, Herr.«
»Und hör auf, mich Herr zu nennen. Für dich bin ich Roger. Versprich mir, dass du mich nie verlässt!«
Ihre Freiheit bedeutete ihr viel, doch sie wagte es nicht, ihm zu widersprechen.
»Ich verspreche es, Roger.«
Blackraven öffnete beide Fenster, um frische Luft hereinzulassen. Die Brise kühlte ihre aufgewühlten Gemüter. Melody wollte sich wieder auf ihren Platz setzen, doch Blackraven hielt sie zurück.
»Vergiss nicht«, flüsterte er ihr zu, »ich schulde dir etwas. Gestern hast du beim Pferderennen gewonnen. Jetzt hast du einen Wunsch frei.«
»Ich brauche nichts, wirklich.«
»Du lügst. Gestern habe ich gehört, wie Béatrice sagte, du hättest nichts anzuziehen. Nicht, dass mir der Gedanke nicht gefiele, dich nackt zu sehen, aber das sollte dann doch nur mir vorbehalten bleiben. Ansonsten würde ich dich gerne gut bekleidet sehen.« Melody errötete.
»Vielleicht ein paar Blusen … «, sagte sie scheu.
»Wir werden einkaufen gehen. Ich will, dass du den bestausgestatteten und elegantesten Kleiderschrank am Río de la Plata hast. Aber das zählt nicht, du hast immer noch einen Wunsch frei. Gibt es sonst nichts, was du dir wünschst?«
»Doch Roger, es gibt da etwas.«
»Sag es mir, ganz gleich, was es ist.«
»In ein paar Tagen will Señor Warnes eine Sklavenfamilie versteigern und … «
Roger lachte auf.
»Isaura, ich will, dass du mich um etwas für
dich
bittest, nicht für die Sklaven.«
»Das ist doch für mich. Mich würde
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