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Demian

Demian

Titel: Demian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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rote Mund war verblaßt und etwas schmäler geworden. Es war jetzt ganz der Mund Demians.
    Ich ging nun daran, ein neues Blatt zu malen, den Wappenvogel. Wie er eigentlich aussah, wußte ich nicht mehr deutlich, und einiges daran war, wie ich wußte, auch aus der Nähe nicht gut mehr zu erkennen, da das Ding alt und oftmals mit Farbe überstrichen worden war. Der Vogel stand oder saß auf etwas, vielleicht auf einer Blume, oder auf einem Korb oder Nest, oder auf einer Baumkrone. Ich kümmerte mich nicht darum und fing mit dem an, wovon ich eine deutliche Vorstellung hatte. Aus einem unklaren Bedürfnis begann ich gleich mit starken Farben; der Kopf des Vogels war auf meinem Blatte goldgelb. Je nach Laune machte ich daran weiter und brachte das Ding in einigen Tagen fertig.
    Nun war es ein Raubvogel, mit einem scharfen, kühnen Sperberkopf. Er stak mit halbem Leibe in einer dunkeln Weltkugel, aus der er sich wie aus einem riesigen Ei heraufarbeitete, auf einem blauen Himmelsgrunde. Wie ich das Blatt länger betrachtete, schien es mir mehr und mehr, als sei es das farbige Wappen, wie es in meinem Traum vorgekommen war.
    Einen Brief an Demian zu schreiben, wäre mir nicht möglichgewesen, auch wenn ich gewußt hätte wohin. Ich beschloß aber, in demselben traumhaften Ahnen, mit dem ich damals alles tat, ihm das Bild mit dem Sperber zu schicken, mochte es ihn dann erreichen oder nicht. Ich schrieb nichts darauf, auch nicht meinen Namen, beschnitt die Ränder sorgfältig, kaufte einen großen Papierumschlag und schrieb meines Freundes ehemalige Adresse darauf. Dann schickte ich es fort.
    Ein Examen kam näher, und ich mußte mehr als sonst für die Schule arbeiten. Die Lehrer hatten mich wieder zu Gnaden angenommen, seit ich plötzlich meinen schnöden Wandel geändert hatte. Ein guter Schüler war ich auch jetzt wohl nicht, aber weder ich noch sonst jemand dachte noch daran, daß vor einem halben Jahr meine strafweise Entlassung aus der Schule allen wahrscheinlich gewesen war.
    Mein Vater schrieb mir jetzt wieder mehr in dem Ton wie früher, ohne Vorwürfe und Drohungen. Doch hatte ich keinen Trieb, ihm oder irgend jemand zu erklären, wie die Wandlung mit mir vor sich gegangen war. Es war ein Zufall, daß diese Wandlung mit den Wünschen meiner Eltern und Lehrer übereinstimmte. Diese Wandlung brachte mich nicht zu den andern, näherte mich niemandem an, machte mich nur einsamer. Sie zielte irgendwohin, zu Demian, zu einem fernen Schicksal. Ich wußte es selber ja nicht, ich stand ja mitten drin. Mit Beatrice hatte es angefangen, aber seit einiger Zeit lebte ich mit meinen gemalten Blättern und meinen Gedanken an Demian in einer so ganz unwirklichen Welt, daß ich auch sie völlig aus den Augen und Gedanken verlor. Niemand hätte ich von meinen Träumen, meinen Erwartungen, meiner inneren Umwandlung ein Wort sagen können, auch nicht, wenn ich gewollt hätte.
    Aber wie hätte ich dies wollen können?
Fünftes Kapitel
DER VOGEL KÄMPFT SICH AUS DEM EI
    Mein gemalter Traumvogel war unterwegs und suchte meinen Freund. Auf die wunderlichste Weise kam mir eine Antwort. In meiner Schulklasse, an meinem Platz, fand ich einst nach derPause zwischen zwei Lektionen einen Zettel in meinem Buche stecken. Er war genau so gefaltet, wie es bei uns üblich war, wenn Klassengenossen zuweilen während einer Lektion heimlich einander Billetts zukommen ließen. Mich wunderte nur, wer mir solch einen Zettel zuschickte, denn ich stand mit keinem Mitschüler je in solchem Verkehr. Ich dachte, es werde die Aufforderung zu irgendeinem Schülerspaß sein, an dem ich doch nicht teilnehmen würde, und legte den Zettel ungelesen vorn in mein Buch. Erst während der Lektion fiel er mir zufällig wieder in die Hand.
    Ich spielte mit dem Papier, entfaltete es gedankenlos und fand einige Worte darein geschrieben. Ich warf einen Blick darauf, blieb an einem Wort hängen, erschrak und las, während mein Herz sich vor Schicksal wie in großer Kälte zusammenzog:
    »Der Vogel kämpft sich aus dem Ei. Das Ei ist die Welt. Wer geboren werden will, muß eine Welt zerstören. Der Vogel fliegt zu Gott. Der Gott heißt Abraxas.«
    Ich versank nach dem mehrmaligen Lesen dieser Zeilen in tiefes Nachsinnen. Es war kein Zweifel möglich, es war Antwort von Demian. Niemand konnte von dem Vogel wissen, als ich und er. Er hatte mein Bild bekommen. Er hatte verstanden und half mir deuten. Aber wie hing alles zusammen? Und – das plagte mich vor allem – was hieß

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