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Demian

Demian

Titel: Demian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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und war jetzt, erst jetzt in dieser Stunde, versunken und verflucht, gehörte mir nicht mehr, stieß mich aus, sah mit Ekel auf mich! Alles Liebe und Innige, was ich je bis in fernste, goldenste Kindheitsgärten zurück von meinen Eltern erfahren hatte, jeder Kuß der Mutter, jede Weihnacht, jeder fromme, helle Sonntagmorgen daheim, jede Blume im Garten alles war verwüstet, alles hatte ich mit Füßen getreten! Wenn jetzt Häscher gekommen wären und hätten mich gebunden und als Auswurf und Tempelschänder zum Galgen geführt,
    ich wäre einverstanden gewesen, wäre gern gegangen, hätte es richtig und gut gefunden.
    Also so sah ich innerlich aus! Ich, der herumging und die Welt verachtete!
    Ich, der stolz im Geist war und Gedanken Demians mitdachte! So sah ich
    aus, ein Auswurf und Schweinigel, betrunken und beschmutzt, ekelhaft und gemein, eine wüste Bestie, von scheußlichen Trieben überrumpelt! So sah ich aus, ich, der aus jenen Gärten kam, wo alles Reinheit, Glanz und holde Zart-heit war, ich, der ich Musik von Bach und schöne Gedichte geliebt hatte! Ich hörte noch mit Ekel und Empörung mein eigenes Lachen, ein betrunkenes,
    unbeherrschtes, stoßweis und albern herausbrechendes Lachen. Das war ich!

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    Trotz allem aber war es beinahe ein Genuß, diese Qualen zu leiden. So
    lange war ich blind und stumpf dahingekrochen, so lange hatte mein Herz geschwiegen und verarmt im Winkel gesessen, daß auch diese Selbstanklagen, dieses Grauen, dies ganze scheußliche Gefühl der Seele willkommen war. Es war doch Gefühl, es stiegen doch Flammen, es Zuckte doch Herz darin! Verwirrt empfand ich mitten im Elend etwas wie Befreiung und Frühling.
    Indessen ging es, von außen gesehen, tüchtig bergab mit mir. Der erste
    Rausch war bald nicht mehr der erste. Es wurde an unsrer Schule viel ge-kneipt und Allotria getrieben, ich war einer der Allerjüngsten unter denen, die mittaten, und bald war ich kein Geduldeter und Kleiner mehr, sondern ein Anführer und Stern, ein berühmter, wagehalsiger Kneipenbesucher. Ich gehörte wieder einmal ganz der dunkeln Welt, dem Teufel an, und ich galt in dieser Welt als ein famoser Kerl.
    Dabei war mir jammervoll zumute. Ich lebte in einem selbstzerstörerischen Orgiasmus dahin, und während ich bei den Kameraden für einen Führer und Teufelskerl, für einen ,verflucht schneidigen und witzigen Burschen galt, hatte ich tief in mir eine angstvolle Seele voller Bangnis flattern. Ich weiß noch, daß mir einmal die Tränen kamen, als ich beim Verlassen einer Kneipe am Sonn-tagvormittag auf der Straße Kinder spielen sah, hell und vergnügt mit frisch-gekämmtem Haar und in Sonntagskleidern. Und während ich, zwischen Bier-
    lachen an schmutzigen Tischen geringer Wirtshäuser, meine Freunde durch unerhörte Zynismen belustigte und oft erschreckte, hatte ich im verborgenen Herzen Ehrfurcht vor allem, was ich verhöhnte, und lag innerlich weinend auf den Knien vor meiner Seele, vor meiner Vergangenheit, vor meiner Mutter, vor Gott.
    Daß ich niemals eins wurde mit meinen Begleitern, daß ich unter ihnen
    einsam blieb und darum so leiden konnte, das hatte einen guten Grund. Ich war ein Kneipenheld und Spötter nach dem Herzen der Rohesten, ich zeigte Geist und zeigte Mut in meinen Gedanken und Reden über Lehrer, Schule,
    Eltern, Kirche – ich hielt auch Zoten stand und wagte etwa selber eine – aber ich war niemals dabei, wenn meine Kumpane zu Mädchen gingen, ich war
    allein und war voll glühender Sehnsucht nach Liebe, hoffnungsloser Sehnsucht, während ich nach meinen Reden ein abgebrühter Genießer hätte sein müssen.
    Niemand war verletzlicher, niemand schamhafter als ich. Und wenn ich je und je die jungen Bürgermädchen vor mir gehen sah, hübsch und sauber, licht und anmutig, waren sie mir wunderbare, reine Träume, tausendmal zu gut und
    rein für mich. Eine Zeitlang konnte ich auch nicht mehr in den Papierladen der Frau Jaggelt gehen, weil ich rot wurde, wenn ich sie ansah und an das dachte, was Alfons Beck mir von ihr erzählt hatte.
    Je mehr ich nun auch in meiner neuen Gesellschaft mich fortwährend ein-
    sam und anders wußte, desto weniger kam ich von ihr los. Ich weiß wirklich 49
    nicht mehr, ob das Saufen und Renommieren mir eigentlich jemals Vergnügen machte, auch gewöhnte ich mich an das Trinken niemals so, daß ich nicht jedesmal peinliche Folgen gespürt hätte. Es war alles wie ein Zwang. Ich tat, was ich mußte, weil ich sonst durchaus nicht wußte, was mit mir

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