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Demian

Demian

Titel: Demian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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die Augen geschlossen, sah aber, daß er sie offen hielt. Sie blickten aber nicht, sie waren nicht sehend, sie waren starr und nach innen oder in eine große Ferne gewendet. Vollkommen regungslos saß er da, auch zu atmen schien er nicht, 42
    sein Mund war wie aus Holz oder Stein geschnitten. Sein Gesicht war blaß, gleichmäßig bleich, wie Stein, und die braunen Haare waren das Lebendigste an ihm. Seine Hände lagen vor ihm auf der Bank, leblos und still wie Gegenstände, wie Steine oder Früchte, bleich und regungslos, doch nicht schlaff, sondern wie feste, gute Hüllen um ein verborgnes starkes Leben.
    Der Anblick machte mich zittern. Er ist tot! dachte ich, beinahe sagte ich es laut. Aber ich wußte, daß er nicht tot sei. Ich hing mit gebanntem Blick an seinem Gesicht, an dieser blassen, steinernen Maske, und ich fühlte: das war Demian! Wie er sonst war, wenn er mit mir ging und sprach, das war nur ein halber Demian, einer, der zeitweilig eine Rolle spielte, sich anbequemte, aus Gefälligkeit mittat. Der wirkliche Demian aber sah so aus, so wie dieser, so steinern, uralt, tierhaft, steinhaft, schön und kalt, tot und heimlich voll von unerhörtem Leben. Und um ihn her diese stille Leere, dieser Äther und Sternenraum, dieser einsame Tod!
    Jetzt ist der ganz in sich hineingegangen, fühlte ich unter Schauern. Nie war ich so vereinsamt gewesen. Ich hatte nicht teil an ihm, er war mir unerreichbar, er war mir ferner, als wenn er auf der fernsten Insel der Welt gewesen wäre.
    Ich begriff kaum, daß niemand außer mir es sehe! Alle mußten hersehen, alle mußten aufschauern! Aber niemand gab acht auf ihn. Er saß bildhaft und, wie ich denken mußte, götzenhaft steif, eine Fliege setzte sich auf seine Stirn, lief langsam über Nase und Lippen hinweg – er zuckte mit keiner Falte.
    Wo, wo war er jetzt? Was dachte er, was fühlte er? War er in einem Himmel, in einer Hölle?
    Es war mir nicht möglich, ihn darüber zu fragen. Als ich ihn, am Ende der Stunde, wieder leben und atmen sah, als sein Blick meinem begegnete, war er wie früher. Wo kam er her? Wo war er gewesen? Er schien müde. Seine Gesicht hatte wieder Farbe, seine Hände bewegten sich wieder, das braune Haar aber war jetzt glanzlos und wie ermüdet.
    In den folgenden Tagen gab ich mich in meinem Schlafzimmer mehrmals ei-
    ner neuen Übung hin: ich setzte mich steil auf einen Stuhl, machte die Augen starr, hielt mich vollkommen regungslos und wartete, wie lange ich es aushalten und was ich dabei empfinden werde. Ich wurde jedoch bloß müde und bekam ein heftiges Jucken in den Augenlidern.
    Bald nachher war die Konfirmation, an welche mir keine wichtigen Erinnerungen geblieben sind.
    Es wurde nun alles anders. Die Kindheit fiel um mich her in Trümmer. Die Eltern sahen mich mit einer gewissen Verlegenheit an. Die Schwestern waren mir ganz fremd geworden. Eine Ernüchterung verfälschte und verblaßte mir die gewohnten Gefühle und Freuden, der Garten war ohne Duft, der Wald
    lockte nicht, die Welt stand um mich her wie ein Ausverkauf alter Sachen, fad und reizlos, die Bücher waren Papier, die Musik war ein Geräusch. So fällt um 43
    einen herbstlichen Baum her das Laub, er fühlt es nicht, Regen rinnt an ihm herab, oder Sonne, oder Frost, und in ihm zieht das Leben sich langsam ins Engste und Innerste zurück. Er stirbt nicht. Er wartet.
    Es war beschlossen worden, daß ich nach den Ferien in eine andere Schule und zum ersten Male von Hause fortkommen sollte. Zuweilen näherte sich mir die Mutter mit besonderer Zärtlichkeit, im voraus Abschied nehmend, bemüht, mir Liebe, Heimweh und Unvergeßlichkeit ins Herz zu zaubern. Demian war verreist. Ich war allein.

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Beatrice
    Ohne meinen Freund wiedergesehen zu haben, fuhr ich am Ende der Feri-
    en nach St. Meine Eltern kamen beide mit und übergaben mich mit jeder
    möglichen Sorgfalt dem Schutz einer Knabenpension bei einem Lehrer des
    Gymnasiums. Sie wären vor Entsetzen erstarrt, wenn sie gewußt hätten, in was für Dinge sie mich nun hineinwandern ließen.
    Die Frage war noch immer, ob mit der Zeit aus mir ein guter Sohn und
    brauchbarer Bürger werden könne, oder ob meine Natur auf andere Wege hin-dränge. Mein letzter Versuch, im Schatten des väterlichen Hauses und Geistes glücklich zu sein, hatte lange gedauert, war zeitweise nahezu geglückt, und schließlich doch völlig gescheitert.
    Die merkwürdige Leere und Vereinsamung, die ich während der Ferien nach meiner Konfirmation zum erstenmal

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