Demonica - Ione, L: Demonica
Unfähig, in dem Bett zu schlafen, das immer noch nach Eidolon roch, hatte sich sie zusammen mit Mickey auf der Couch zusammengerollt. Als der erste graue Schimmer eines bewölkten Tages durch ihr Küchenfenster drang, hatte das Telefon zu klingeln begonnen.
Sie hatte es ignoriert. Doch das Hämmern an der Tür ein paar Stunden später konnte sie nicht überhören. Zuerst hatte Kynan nur leise geklopft, war aber rasch lauter geworden, bis er sogar drohte, ihre Tür einzutreten.
Also hatte sie aufgemacht, um sich gleich darauf zu wünschen, sie hätte es nicht getan.
»Letzte Nacht haben wir Trey und Michelle verloren.«
O Gott. Wie betäubt war sie von der Tür zurückgewichen und auf der Couch zusammengebrochen. »Wie?«
»Sie haben zusammen mit Bleak und Cole ein Rudel Werwölfe verfolgt. In einem Haus sind sie dann in einen Hinterhalt geraten. Ein Weibchen haben sie erledigt, aber die anderen sind davongekommen.«
Verzweiflung senkte sich auf sie herab wie eine eisige Decke. Zusammen mit Janets Tod machte das drei Wächter, die sie im Verlauf einer Woche verloren hatten, nachdem sie ein ganzes Jahr lang nicht einen einzigen verloren hatte. Und Tayla … war kompromittiert worden.
»Wir verlieren, stimmt’s? Ich meine, den Kampf. Wir verlieren ihn.«
Kynan ließ sich auf ein Knie fallen und umfasste ihr Handgelenk mit einer Hand. »Sag das nicht. Du darfst es nicht mal denken. Der Kampf gegen das Böse ist immer ein Marathon gewesen, kein Sprint.« Sie versuchte, sich loszureißen, doch er hielt sie fest, mit entschlossenem, doch zugleich sanftem Griff. »Wir fühlen alle dasselbe, Tayla. Aber du bist eine Veteranenkämpferin. Du kannst die anderen führen und unserer Zelle durch diese schweren Zeiten helfen. Komm und bleib im HQ , wenigstens für ein paar Nächte. Es wird dir guttun. Uns allen.«
Einen Augenblick lang war sie versucht, seinen Worten Folge zu leisten. Obwohl sie nie sehr gesellig gewesen war, fühlte sie sich in diesem Augenblick so entsetzlich fehl am Platz und einsamer als je zuvor. Trotzdem konnte sie sich des Gefühls nicht erwehren, dass ihre Anwesenheit unter den anderen Wächtern ihre Einsamkeit nur noch verstärken würde. Wenn sie allein war, sah sie niemand an, als wäre sie ein schwarzes Schaf. Niemand redete an ihr vorbei, statt mit ihr. Und ganz sicher würde sie niemand ansehen, als ob er wüsste, was Eidolon gesagt hatte, und versuchte herauszufinden, ob er wohl die Wahrheit gesagt hätte.
Willkommen im Club.
»Ich kann nicht«, sagte sie schließlich. »Ich muss jetzt allein sein.«
Vor allem musste sie morgens aufstehen und erst mal in den Spiegel sehen, um zu überprüfen, ob sie sich nicht über Nacht in einen Dämon verwandelt hatte.
Was das Thema Dämonen betraf, so fragte sie sich, ob die Aufspüreinrichtung, die sie Eidolon untergeschoben hatte, die Aegis wohl zum Krankenhaus geführt hatte. Aber wenn das der Fall wäre, hätte Kynan ihr das sicher bereits mitgeteilt.
»Ky … denkst du, dass es so was wie gute Dämonen gibt?«
Er blinzelte verwirrt. »Na ja, es gibt Eudaimonen, eine Art gutmütige Geister, aber in den meisten Fällen hält man sie für Schutzengel.«
»Aber können andere Dämonen, wie die Cruenti, jemals gut sein?«
»Was? Tayla, was ist bloß in dich gefahren?«
Eidolon. Zweimal.
»Ich schätze … ich meine ja nur … was, wenn sie nicht alle böse sind?«
Mit der einen Hand fühlte er ihre Stirn, während er mit der anderen ihren Puls überprüfte; seine medizinische Ausbildung hatte die Führung übernommen. »Ich bring dich jetzt ins Krankenhaus. Du bist nervös und fühlst dich etwas heiß an.«
»Ich brauch keinen Aegis-Arzt – «
»Tayla, du redest Unsinn. Es ist wirklich keine schlechte Idee, dich mal gründlich durchzuchecken. Wer weiß, was sie mit dir in diesem Dämonenkrankenhaus angestellt haben.« Sie entzog sich seinem Griff, und diesmal ließ er es zu, aber er setzte sich neben sie auf die Couch. »Das ist es, worum es hier geht, oder? Dass sie sich um dich gekümmert haben. Dir das Leben gerettet haben. Und jetzt verspürst du so etwas wie Mitgefühl.«
»Das ist doch nicht irgendeine verdrehte Art von Nightingale-Syndrom.«
Aber der Verdacht brannte in seinen Augen, leuchtend blau. »Ich geb dir bis morgen Zeit, aber dann kommst du ins HQ , und ich werde dich zur Untersuchung bei Dennis bringen.«
Dann war er gegangen, und sie hatte die nächsten Stunden mit Nichtstun verbracht; hatte vor sich hin gedämmert und
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