Demonica - Ione, L: Demonica
gerechtes Urteil für ihre Seele und eine glückliche Rückkehr in einen neuen Körper bat.
Shade, dessen religiöse Erziehung etwas weniger fundamentalistisch gewesen war als die Eidolons, war sich nicht sicher, was er über den Zustand von Skulks Seele glauben sollte. Aber wie viele Dämonen, Menschen und Vampire betete Wraith zu nichts und niemandem; aus seinem Mund ergossen sich Flüche und hässliche Beschimpfungen in verschiedenen menschlichen und dämonischen Sprachen.
»Ich bring den Scheißkerl um, der das getan hat, Shade. Ich schwöre dir, ich werde seinen Kopf im Labor an die Wand nageln !«
Mehr und mehr Flüche strömten aus ihm heraus, während seine Wut ständig zunahm. Wraith hatte zwei Schalter: Ist-mir-doch-scheißegal und Ich-bring-den-Kerl-um. Und jede stärkere Emotion legte einen von beiden um.
In Shades Kopf ertönte eine grauenhafte Stimme: Roags krächzende, heisere Worte, die besagten, dass Wraith sein eigentliches Ziel gewesen sei, nicht Skulk. »Zuerst einmal müssten wir ihn finden .« Aus reiner Gewohnheit klopfte er sich auf die Taschen, auf der Suche nach einem Päckchen Kaugummi.
»Erzähl uns die ganze Geschichte « , sagte Eidolon, und Shade versuchte, sich gegen ihre Reaktionen zu wappnen.
»Ich bin in einem Kerker aufgewacht. Runa war bei mir .«
Wraith zog eine finstere Miene. »Runa? Diese Menschenfrau, mit der du es letztes Jahr getrieben hast ?«
»Ja, aber sie ist kein Mensch mehr. Und ich bin jetzt mit ihr verbunden .«
»Warum? Wie ?«
Das alles war so erniedrigend. »Wir wurden dazu gezwungen. Von jemandem, der von meinem Fluch wusste. Jemand, der uns alle leiden sehen will .« Wieder klopfte er seine Kleidung ab. Eins stand fest: Als Nächstes würde er erst einmal einen verdammten Automaten hier installieren lassen.
»Ein Vampir, stimmt’s ?«
Das war eine logische Schlussfolgerung angesichts dessen, was zwischen Vampiren und Seminus-Dämonen vorgefallen war, dank der wahnsinnigen Indiskretion ihres Vaters. Die Vampire betrachteten das, was er getan hatte, als besonders übles Verbrechen, und das sah Shade ganz genauso. Welcher kranke Mistkerl vergewaltigte eine Frau während des Wandels von Mensch zu Vampir, schwängerte sie und benutzte dann seine Gabe – dieselbe, die Shade besaß – , um ihren Körper am Leben zu erhalten, damit der Fötus bis zur Geburt darin heranreifen konnte? Er hatte sie während der Schwangerschaft wiederholt vergewaltigt und sie in einem Zustand belassen, der eine Art höllischer Stasis gewesen sein musste: kein Mensch mehr, aber noch kein Vampir.
Es war keine Überraschung, dass die Frau dem Wahnsinn verfallen war, und Wraith hatte den Preis dafür bezahlt. Irgendwann allerdings auch ihr Vater, nachdem er den Vampiren in die Hände gefallen war.
»Ich wünschte, dieser Unhold wäre ein Vampir .« Erst jetzt fiel ihm auf, dass seine Hand immer noch auf seiner Brust lag, nur dass er diese jetzt rieb, statt den Arztkittel nach Kaugummi abzutasten. Das Loch, das Skulk hinterlassen hatte, schmerzte schrecklich, und darüber zu reden machte es nur noch schlimmer. »Es war Roag .«
Wraith kniff die Augen zusammen und wedelte mit einer Hand vor Shades Gesicht herum. »E? Hast du ein CT angeordnet? Hat er sich den Kopf gestoßen ?«
Shade schob die Hand seines Bruders beiseite. »Roag ist am Leben. Und er ist durchgeknallter als je zuvor. Er steckt hinter dieser Schwarzmarktgeschichte, zumindest in den letzten Jahren .«
Eidolon wirkte extrem angespannt, seine Miene gequält. Wraith brauchte etwas länger, um diese Verkündigung zu begreifen, aber als es so weit war … Shade hatte seinen Bruder noch nie so leichenblass gesehen.
»Nicht lustig, Shade .« Wraiths Stimme war ein harsches Knurren. »Gar nicht lustig, verdammte Scheiße !«
»Siehst du mich vielleicht lachen ?« Shade ließ langsam den Atem ausströmen. Er brauchte einen Moment, um sicher zu sein, dass er das alles geregelt kriegte, vor allem, weil diese Situation sehr schnell sehr hässlich werden konnte, so labil, wie Wraith schon an guten Tagen war. »Roag hat das Feuer überlebt. Ich weiß nicht, wie. Er ist schrecklich verunstaltet: Die Haut sieht wie Trockenfleisch aus, keine Nase mehr, die Hälfte der Finger fehlen .«
Eidolon, der Logische unter ihnen, schüttelte den Kopf. »Wir haben ihn sterben gefühlt. Wir würden ihn spüren, wenn er noch am Leben wäre .«
»Sein Tod hat das Band zwischen uns durchtrennt « , sagte Shade. »Und selbst als er wieder
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