Demonica: Tödliche Verlockung (German Edition)
täuschend entspannt ins Zimmer spaziert. Täuschend, weil sein leuchtender Blick dem eines Raubtiers glich – er war sich vollkommen im Klaren, was in diesem Zimmer gerade vor sich gegangen war, und Con kannte diesen gerissenen Mistkerl gut genug, um zu wissen, dass er die Information irgendwo in seinem Hirn ablegen und erst dann wieder hervorholen würde, wenn es zu seinem Vorteil war.
»Schlumpfinchen«, sagte Wraith, die Augen unverwandt auf Con gerichtet. »E braucht dich in der Notaufnahme. Die haben gerade einen Warg reinbekommen, der kurz davorsteht, den hölzernen Kittel anzulegen.«
Sin verzog das Gesicht. »Den hölzernen Kittel anzulegen?«
»Sterben«, brachte Con mühsam heraus. »Er liegt im Sterben.«
Wraith nickte. »Es wird Zeit zu sehen, ob du auch Leben retten kannst, statt sie immer nur auszulöschen.«
3
Karlene Lucio war sich nicht sicher, was zuerst passieren würde: erfrieren oder verbluten. Es gab auch noch eine andere Möglichkeit, aber sie weigerte sich, auch nur in Erwägung zu ziehen, dass sie von Aegis-Jägern enthauptet werden könnte.
Von denselben Aegis-Jägern, mit denen sie jahrelang zusammengearbeitet hatte.
Schmerz wütete in ihrer rechten Schulter, wo die Kugel eingetreten war, und Schnee biss in ihr Gesicht, während sie durch den dichten Wald stolperte und dabei eine Blutspur hinterließ, der auch ein Blinder hätte folgen können. Diese verdammte kanadische Wildnis. Wer lebte hier bloß?
Nur die Person, die du finden musst.
Trotz der zahlreichen Kleidungsschichten, die sie trug, erschauerte sie. Gleich darauf stolperte sie über einen am Boden liegenden Ast und landete mit dem Gesicht zuerst im mit Eis überkrusteten Schnee. Dann ein Krachen, und nur Zentimeter von ihrer Wange entfernt explodierte Holz. Sie stieß einen erstickten Schrei aus, als sie sich herumwälzte und hinter einem dicken Baumstamm zu liegen kam. Mit ihrer zitternden Hand fuhr sie in die Parkatasche, um ihre Pistole herauszuholen – nicht, dass sie mit ihrer linken Hand auch nur die breite Seite eines Gargantua-Dämons treffen könnte.
Leer. Ihre Waffe war weg.
Hektisch blickte sie sich um, durchwühlte den Schnee, bis sie sich die Fingernägel ab- und die Fingerspitzen aufgerissen und blutige Spuren im makellosen Schnee hinterlassen hatte. Den zweiten Schuss, der ihren Oberarm durchschlug, sodass die Kugel in ihrer Seite stecken blieb, hörte sie nicht einmal. Aber sie fühlte ihn, wie ein heißes Schüreisen, das sie mit der Wucht eines LKW traf. Sie flog rücklings durch die Luft, bis sie mit solcher Wucht gegen einen Baumstamm prallte, dass ihr die Puste ausging. Als sie völlig benommen am Boden liegen blieb, sammelte sich Feuer in ihren Adern, das nach und nach ihren ganzen Körper erfasste, was sie beinahe als angenehm empfand. Hauptsache, sie spürte diese Kälte nicht mehr.
Schnee und Bäume begannen ineinander zu fließen. Irgendetwas knirschte neben ihr im Schnee: Schritte. Mit letzter Kraft blickte sie zu Wade auf, dem Wächter, der vor ihr stand und mit seiner Pistole auf ihre Stirn zielte.
»Tut mir schrecklich leid, dass es so weit kommen musste«, sagte er schroff. Sein Blick war traurig, aber entschlossen. Etwas anderes hätte sie von einem Wächter, der gezwungen war, jemanden zu töten, der die Aegis jahrelang getäuscht und hintergangen hatte, auch nicht erwartet. Da spielte es keine Rolle mehr, dass sie Seite an Seite gekämpft hatten, auf ein gemeinsames Ziel hingearbeitet hatten: die Erde vom Bösen zu befreien.
Jetzt hielt man sie selbst für böse … und für eine Verräterin noch dazu. Die neue, nachsichtigere Einstellung der Aegis zu den Geschöpfen der Unterwelt war sogar noch ein größerer Witz als eine Politik nach dem Motto ›Wer keine Fragen stellt, muss sich auch nicht mit Antworten rumschlagen‹.
Sie könnte um ihr Leben betteln, aber das würde auch nicht helfen. Um der Wahrheit die Ehre zu geben – sie hatte noch nie um irgendetwas gebettelt, und sie würde sicherlich jetzt nicht damit anfangen. Außerdem war das vielleicht sowieso das Beste.
»Schließ die Augen«, sagte er.
»Fahr zur Hölle.« Ihr Tod mochte das Beste sein, aber das hieß noch lange nicht, dass sie es ihrem Mörder leicht machen würde. Wade würde ihr schon in die Augen sehen müssen, wenn er ihrem Leben ein Ende setzte.
Dieses Mal hörte sie den Schuss, aber sie fühlte ihn nicht. Blut spritzte überallhin, auf die Bäume, den Schnee, ihr Gesicht. Wade stürzte zu Boden.
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