Demonica: Versuchung der Nacht (German Edition)
Wohnzimmerfenster flog, riss sie aus ihren Gedanken. Als sie nach draußen spähte, begann ihr Herz zu flattern. Eine Carolinataube lag auf der Terrasse; ihre kleinen Schwingen flatterten, und die Beinchen traten um sich.
»Hey, meine Kleine«, murmelte sie, als sie das Tier behutsam in die Hände nahm. Aus einem Nasenloch kam blutiger Schaum, und ihr Schnabel öffnete und schloss sich, während sie unhörbar keuchte. Ihre Aura war noch nicht grau – sie hatte noch Zeit.
Idess schloss die Augen und rief die Macht ihrer Mutter herbei, zapfte ihre Quelle der Heilung und des Lebens an. Macht erfüllte sie, und auch wenn sie die Augen nicht öffnete, wusste sie, dass ihr Körper in strahlend hellem Licht aufleuchtete. Der Vogel in ihrer Hand zitterte.
So wie sie. Sie konnte nicht wissen, ob sie den Vogel heilen oder ihn umbringen würde, aber was auch geschah, sie würde seinem Leid jedenfalls ein Ende setzen.
Als sie die Augen wieder öffnete, war das Blut vom Schnabel des Vogels verschwunden, und er legte den Kopf zur Seite, um sie mit einem Ausdruck der Dankbarkeit anzusehen – so deutete sie es zumindest. Dann flog er davon und verschwand im Baldachin der Bäume.
»Das war der reine Wahnsinn.« Lores Stimme war unglaublich tief, rau und direkt hinter ihr.
Erschrocken fuhr Idess herum. Er stand gleich vor der Tür, und das Handtuch, das er sich um die Hüften geschlungen hatte, schaffte es nicht, die enorme Erektion darunter auch nur ansatzweise zu verbergen. Sein muskulöser Körper – der eines geborenen Kämpfers – glänzte im Sonnenlicht, und Wasser tropfte von den harten Ebenen seines Gesichts, strömte über seinen Waschbrettbauch und hinterließ glitzernde Spuren auf der braunen Haut. Sie verspürte den wirklich seltsamen Drang, jeden Tropfen aufzuschlecken und sich dabei von seinen Zehen aufwärtszuarbeiten.
»Das war doch nichts«, sagte sie in der Hoffnung, dass er nicht hören würde, wie sehr sie außer Atem war.
»Für diesen Vogel war es aber nicht nichts.« Er verlagerte sein Gewicht, und das Handtuch rutschte noch ein paar Zentimeter tiefer. Noch einmal, und er würde in diesem Staat wohl wegen unsittlicher Entblößung verhaftet werden. Obwohl sie nicht wusste, was an diesem Körper unanständig sein sollte – inseinemFall handelte es sich doch eigentlich eher um eine wirklich anständige Entblößung. »Können alle Memitim so was?«
Sie riss den Blick von ihm los und sah ihm in die Augen. Die Verzweiflung und Qual, die darin lagen, entsetzten sie. Offensichtlich hatte er unter der Dusche doch nicht das getan, was sie angenommen hatte. »Lore? Alles in Ordnung mit dir?«
»Antworte!«, brüllte er. Seine Hände öffneten und schlossen sich, und sein Dermoire wand sich wütend.
Sie sollte über seinen Befehl sauer sein, vermutete aber, dass er inzwischen bestenfalls noch über einen Ansatz von Kontrolle über sein Benehmen verfügte. »Es kommt darauf an, was für eine Art Engel deine Mutter ist. Meine Mutter ist vivificus , also jemand, der Leben wiederherstellen kann.«
Er fuhr sich mit einer zitternden Hand durch sein feuchtes Haar, sodass tiefe Furchen darin zurückblieben. »Ich will mehr darüber wissen. Aber … «
Sie trat einen Schritt auf ihn zu, ehe ein warnendes Knurren sie aufhielt. »Du bist sehr unruhig.«
Goldene Blitze leuchteten in den schwarzen Seen seiner Augen auf. »Ich werde eines Verbrechens beschuldigt, das ich nicht begangen habe. Meine Brüder wollen mich umbringen. Ich muss Kynan töten, denn sonst wird meine Schwester sterben, aber wenn ich ihn töte, verlierst du deine Flügel. Irgendein böses Arschloch tut meinem Neffen gerade weiß Gott was an, und ich leide Höllenqualen und stehe kurz vor einem gewaltigen Wutanfall, nur deinetwegen. Also ja, man könnte sagen, ich bin ein wenig unruhig.«
Todesqualen? Wutanfall? »Meinetwegen?«
Seine Brust hob und senkte sich mit der Gewalt seiner keuchenden Atemzüge; die Art Atemzüge, bei der man sich nach Kräften bemüht, Schmerz oder Wut zu beherrschen. Dasselbe hatte er schon einmal getan, als er mitten in einem Wutanfall gesteckt hatte, und auch jetzt gesellten sich schon wieder rote Funken zu dem Gold seiner Augen.
»Warum – «, sie leckte sich über ihre Lippen, die ihr auf einmal furchtbar trocken erschienen, und sein Laserblick fixierte sie, »warum verschaffst du dir denn nicht ein wenig Erleichterung?«
»Ich … kann nicht.« Seine Wangen überzog eine plötzliche Röte, als ob er sich
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