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Demonica: Versuchung der Nacht (German Edition)

Demonica: Versuchung der Nacht (German Edition)

Titel: Demonica: Versuchung der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larissa Ione
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in den Hals, und er sackte auf die Knie. Idess wartete nicht ab, sie hatte genug gesehen. Stattdessen blitzte sie sich zu ihrem Bruder, der vor einem asiatischen Tempel stand, neben der Leiche eines Mannes, dessen Kopf ein, zwei Meter entfernt lag. Ganz in der Nähe saß der weibliche Primori gegen einen Baum gelehnt, noch ganz benommen, aber am Leben.
    Rami drehte sich zu Idess um. Er schnappte immer noch nach Luft und hielt seinen Unterarm umfasst. »Gott sei Dank«, flüsterte er. »Du bist unverletzt. Als ich spürte, dass mein Primori starb, habe ich mir Sorgen gemacht, du könntest verletzt sein – «
    »Es tut mir leid«, sagte sie mit rauer Stimme. »Ich … habe versagt.«
    »Du hast es zumindest versucht. Mehr kann ich nicht verlangen.« Rami legte die Arme um sie und zog sie an sich. »Ich bin so stolz auf dich, Schwester. Wie oft bist du mir nun schon zu Hilfe gekommen? Du machst den Memitim alle Ehre, und ich weiß, dass der Herr es dir vergelten wird.«
    Das schlechte Gewissen lastete tonnenschwer auf ihr, und ihre Knie drohten unter dem Gewicht des gewaltigen, unverzeihlichen Fehlers, den sie gemacht hatte, zu versagen. Sie hatte ihren Bruder hintergangen. Ihre Rasse. Ihren Gott …
    Idess richtete sich mit einem Schrei auf. Ihre Lungen brannten von der Wucht ihrer keuchenden Atemzüge, und ihr Puls hämmerte in ihren Adern. Sie hasste diesen Traum. Diesen Albtraum. Sie konnte kaum glauben, dass er selbst nach zwölfhundert Jahren immer noch die Macht besaß, sie in ein zitterndes Häufchen Elend zu verwandeln.
    Konnte nicht glauben, dass das bohrende, brennende Wissen um ihre Schuld sie schon wieder im schraubstockartigen Griff der Reue festhielt. Vor allem, da sie bereits vor geraumer Zeit zu der Überzeugung gelangt war, dass Rami ihr vergeben würde, wenn sie ihm erst einmal erklärt hatte, was sie getan hatte. Er war immer schon eine versöhnliche Seele gewesen, sanft und fürsorglich. Wichtiger noch, er hatte immer dieselbe Wellenlänge gehabt wie sie. Er hatte sie verstanden wie niemand sonst und sie nur ungern allein zurückgelassen, als er in den Himmel aufgestiegen war. So ungern, dass er es monatelang vermieden hatte, in den himmlischen Lichtstrahl zu treten, auch wenn er damit riskierte, den Zorn des Memitim-Rats auf sich zu ziehen.
    Das war fünfhundert Jahre her, und immer noch schmerzte sie ihr Verrat. Sie legte eine Hand auf ihren Bauch, während sie sich mit der anderen die Augen rieb, und zwang sich, aus der Vergangenheit in die Gegenwart zurückzukehren. Die Gegenwart war besser. Viel, viel besser. Die Menschen tranken inzwischen Kaffee. Und aßen Eis. Sie könnte jetzt ein paar Liter von beidem vertragen …
    Ihr lief das Wasser im Munde zusammen, und sie öffnete die Augen. Gleich darauf zuckte sie zusammen, da die Innenseite ihrer Lider wie Schmirgelpapier über ihre Augäpfel rieb. Und warum war alles, was sie sah, von rötlicher Farbe? Wo war sie? Mit zusammengekniffenen Augen musterte sie die grauen Wände, vor denen diverse medizinische Gerätschaften und Apparate aufgereiht standen. Außerdem waren sie von einer Art beschützender Zaubersprüche überzogen, die mit Blut geschrieben zu sein schienen. Schädel und gruselige Dinge in Gläsern standen in geraden Reihen auf hohen Regalen. Sie blickte auf sich selbst hinab, auf das dünne Krankenhaushemd, das ihren mit Verbänden übersäten Körper bedeckte.
    Sie war Patientin im Underworld General. Dies musste das berühmt-berüchtigte Dämonenkrankenhaus sein. Wie war sie bloß hierher gekommen?
    Etwas huschte an ihr vorbei, so schnell, dass sie es nur verschwommen sah. Verwundert wandte sie den Kopf zur Seite. Zwei Geister schwebten an der gegenüberliegenden Wand; für sie so klar und deutlich erkennbar wie körperliche Wesen.
    Er ist zurück! Zurück! Beeil dich! Die schrille Stimme des Mannes klang blechern und war von Panik erfüllt.
    Die Frau begann die Wand zu attackieren; ihre Fäuste hämmerten gegen den langen Riss, der horizontal von einer Ecke zur anderen verlief. Idess beobachtete sie heimlich, denn sobald die beiden merkten, dass sie sie hören und sehen konnte, würden sie über sie herfallen und sie mit Bitten nerven, ihnen auf die andere Seite hinüberzuhelfen oder ihren geliebten Hinterbliebenen Nachrichten zu überbringen.
    Beeiiiilung!
    Unter ihren Fäusten verbreiterte sich der Spalt zu einem tiefen Riss. Die Todesangst, die von den Geistern ausging, fühlte sich an wie ein leichter Stromstoß auf Idess’

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