Demonica: Versuchung der Nacht (German Edition)
Haut. Was vermochte den Toten nur solche Angst einzujagen? Noch mysteriöser war die Tatsache, dass es sich bei ihnen um Menschen handelte. Wie waren sie nur hierher gelangt? Saßen sie vielleicht in der Falle, weil das Licht ein von Dämonen erbautes Gebäude nicht durchdringen konnte?
Bei diesem Gedanken erschauerte sie. Sie versuchte, die Beine über den Rand des Betts zu schwingen … doch nach ein paar Zentimetern kam die Bewegung mit einem Ruck zum Stehen. Sie hatten sie angekettet. Diese Narren. Fesseln konnten sie nicht halten. Mit einem leisen Knurren griff sie auf zwei ihrer angeborenen Memitim-Gaben zurück: Superkraft und Supergeschwindigkeit.
Nichts passierte. Sie war nicht in der Lage, die Ketten zu zerreißen.
Sie versuchte es noch einmal. Immer noch nichts. Ach, verdammt. Sie runzelte die Stirn. Dann versuchte sie, sich aus dem Krankenhaus herauszublitzen. Ein weiterer Fehlschlag. Von einem Gefühl der Dringlichkeit angespornt, verdoppelte sie ihre Anstrengungen und zerrte an den Ketten, die ihre Handgelenke mit etwas verbanden, das aussah wie gewaltige Bolzen im Boden. Sie versuchte sogar, ihre andere Gestalt anzunehmen, aber es gelang ihr nicht, sich auch nur eine einzige Klaue wachsen zu lassen.
»Dein Widerstand ist zwecklos, Frau. Dies sind Bracken-Ketten, die von dämonischen Gefängniswärtern und Rechtsprechern benutzt werden, um alle Kräfte aufzuheben, die du besitzen könntest.«
Ein dunkelhaariger Seminus-Dämon in Krankenhausmontur kam in ihr Zimmer stolziert. Alles an ihm strahlte Selbstvertrauen aus, von seinen ausgreifenden Schritten bis hin zu der Intelligenz in seinen Augen. Er sah dem Dämon erstaunlich ähnlich, der versucht hatte, Kynan umzubringen, und sie fragte sich, ob die beiden wohl verwandt waren. Sie wusste nicht allzu viel über diese eher seltene Inkubus-Rasse, aber eines wusste sie doch: dass nämlich Verwandte, die nur durch wenige Generationen getrennt waren, gewisse Familienähnlichkeiten aufzeigten und man Brüder häufig für Zwillinge hielt.
»Außerdem«, fuhr er fort, »solltest du wissen, dass das dämonische Rechtssystem einen Angeklagten als schuldig ansieht, bis seine Unschuld erwiesen ist. Die Beweislast liegt bei der Person, die die Handschellen trägt, nicht bei dem Opfer.« Er verzog den Mund zu einem spöttischen Lächeln. »Es ist ein tolles System. Kaum Wiederholungstäter.«
»Lass mich frei«, fuhr sie ihn an. »Ihr habt kein Recht, mich festzuhalten, ganz gleich, was eure idiotischen Dämonengesetze besagen.«
»Dies ist mein Krankenhaus. Ich habe das Recht zu tun, was immer ich will.«
»Wer bist du?«
»Ich bin dein Arzt. Ich heiße Eidolon. Und ich weiß, dass du Idess heißt. Aber wer bist du?«
»Von mir wirst du gar nichts erfahren.« Die Geister, die bis jetzt gegen die Wand gehämmert hatten, schlüpften durch den Riss und verschwanden. Ein anderer tauchte durch die gegenüberliegende Wand auf. »Warum gibt es hier menschliche Geister?«
»Wie bitte?«
»Geister. Du weißt schon, tote Menschen. Dein Krankenhaus ist von ihnen geradezu verseucht. Warum?«
Sein Blick war irritierend ruhig, sein Tonfall herablassend. »Einige Spezies, wie Wandler und Vampire, haben menschliche Seelen.«
Aber natürlich. Wenn sie hier starben, saßen sie in der Falle. Wie grauenhaft.
Die Tür wurde geöffnet, und zwei weitere Seminus-Dämonen betraten den Raum. Der eine hatte dunkles Haar und trug eine schwarze Sanitäteruniform, der andere war ein großer Blonder in Jeans und einem T-Shirt mit Jack-Daniel’s-Logo. Beide trugen ihr Haar eher lang, bis auf die Schultern, und alle besaßen Glyphen, die von den Fingerspitzen ihrer rechten Hand bis zu den Kehlen reichten, wo zwei miteinander verbundene Ringe um ihre Hälse verliefen.
»Es gibt nur einen Weg, wie du freikommen kannst: nämlich, wenn wir dich nach draußen bringen und deinen Kopf vom Körper trennen«, sagte der Blonde mit gelangweilter Stimme, so als wäre er der hiesige Spezialist fürs Köpfen, der sich auf einen weiteren Routinejob vorbereitete.
Köpfen wäre jedenfalls einer der wenigen sicheren Wege, sie zu töten. Sie öffnete den Mund, um ihm zu antworten … und ließ ihn offen stehen, als Kynan hereintrat. Ihm folgte die Wächterin, die sie mit dem Bolzen ihrer Armbrust ausgeschaltet hatte, und Kynans Frau, Gem. Idess hatte sie nur einmal gesehen, als sie ausgezogen war, um sich mit ihrem neuen Primori bekannt zu machen – was im Grunde gleichbedeutend war mit
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