Demonica: Versuchung der Nacht (German Edition)
verlangte.
Leider hatte der Gargantua-Dolch einen entscheidenden Nachteil: Er konnte sein Opfer nur in der Stunde des Teufels und in der Zeitzone aufspüren, in der das Blut des Opfers vergossen worden war. Da sie jetzt also ein wenig Zeit totschlagen musste, suchte Sin erst einmal an allen offensichtlichen Orten. Sie hatte das Versteck der Assassinen aufgesucht. Nichts. Sie war bei ihm zu Hause gewesen. Nada. Sie hatte angerufen und SMS und E-Mails geschrieben. Nicht die kleinste Reaktion.
Ihr letzter Ausweg war das UGH , wo er vielleicht als Patient eingeliefert worden war … oder sich gerade mit seinen Brüdern anfreundete. Seine Brüder, denn sie weigerte sich, von ihnen Notiz zu nehmen.
Und sie hatte keine Ahnung, warum der Gedanke, dass er mit ihnen rumhängen könnte, ihr so schrecklich unangenehm war, ja sie regelrecht eifersüchtig machte.
Sie trat aus dem Höllentor in einen Raum, der die Notaufnahme sein musste. Ein männlicher Umbra-Dämon sah vom Empfangstresen auf, die stahlgrauen Lippen von den Zähnen zurückgezogen.
»Was wollen Sie?«
Offensichtlich war Sozialkompetenz keine Voraussetzung, um in einem Dämonenkrankenhaus arbeiten zu können. Sin ging auf ihn zu; sie humpelte immer noch, wegen der Wunde, die ihr diese geheimnisvolle Tussi beigebracht hatte. »Habt ihr hier einen Patienten namens Lore?«
Der Umbra grinste höhnisch. »Ich bin nicht befugt, Auskünfte über Patienten zu erteilen.«
Sie wurde von Erleichterung und Furcht gleichermaßen überschwemmt. »Dann ist er also ein Patient.«
»Das hab ich nicht gesagt«, erwiderte der Umbra.
Sin ließ beide Fäuste auf den Tresen donnern. »Du Trottel.«
»Gibt es hier ein Problem?« Die tiefe Stimme ließ sie am schwarzen Steinboden festfrieren. Es war nicht Lores Stimme, aber der Furcht einflößende Tonfall war derselbe. Das musste demnach einer der Brüder sein. Was für ein Scheiß!
Langsam drehte sie sich um, bis sie auf ein düsteres medizinisches Symbol auf einem Ärztekittel starrte, der eine breite Brust bedeckte. Sie schluckte trocken und hob den Blick. Jepp, dieser Kerl mit seinem kurzen Haar, der Ich-bin-hier-der-Chef-Ausstrahlung und der finsteren Miene war vielleicht nicht das genaue Ebenbild von Lore, aber er kam dem schon sehr nahe. Außerdem verriet ihn natürlich das Dermoire , das sich bis zu seiner Kehle erstreckte, wo es sich mit zwei Ringen um seinen Hals verband – Malen, die besagten, dass er ausgewachsen war und seine Gefährtin gefunden hatte. Na ja, das und sein Namensschild: Eidolon.
Nicht gut.
»Diese Frau sucht nach Lore«, erklärte der Umbra. Innerlich zuckte sie zusammen. Genau dieses Szenario hatte sie vermeiden wollen.
Eidolons Miene blieb unbewegt, und sie fragte sich plötzlich, was wohl passieren musste, um ihn aus der Ruhe zu bringen. »Woher kennst du Lore?«
»Das geht dich gar nichts an.«
»Ich gehe davon aus, dass es dich nicht interessiert, ob er Patient hier ist.« Eidolon fuhr herum und begann auf eines von mehreren Betten zuzugehen, die durch Vorhänge voneinander getrennt wurden.
Sin fluchte, dann setzte sie sich in Bewegung, um ihn einzuholen. »Ich arbeite mit ihm zusammen.«
Eidolon blieb stehen und musterte sie misstrauisch. »Er ist nicht hier.«
»Hättest du mir das nicht gleich sagen können, ohne das ganze Aufhebens?«
Eidolon bekam keine Gelegenheit zu antworten, denn jetzt glitten die Türen zur Notaufnahme auseinander, und ein Sanitäter schob eine Liege hinein. Eine Liege, auf der sich ihr Opfer, der Warg, befand. Heilige Scheiße.
Ein zweiter Sanitäter hockte über dem Warg und drückte immer wieder seinen Brustkorb zusammen. Eidolon wurde sofort aktiv.
»Was liegt vor?«, fragte er, während er sich neben der Trage herbewegte.
Sin hielt trotz ihres Humpelns Schritt, blieb aber im Hintergrund, um Mäuschen zu spielen.
Der Sanitäter, der die Liege schob – seine aufblitzenden Fänge verrieten, dass es sich um einen Vampir handelte –, informierte ihn kurz und knapp. »Warg. Bewusstlos aufgefunden. Atmet nicht. Unsere Versuche, ihn wiederzubeleben, waren erfolgreich, aber vor drei Blocks haben wir ihn wieder verloren.«
Dann rasselte er noch einige Zahlen und Angaben herunter, die Sin nicht verstand, während sie die Liege in eins der mit Vorhängen abgetrennten Abteile schoben. Von allen Seiten schwärmte weiteres medizinisches Personal herbei. Sin wartete draußen und lauschte weiterem Ärztegequatsche, das sich nichtallzu gut anhörte. Na ja, nicht
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