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Den du nicht siehst

Den du nicht siehst

Titel: Den du nicht siehst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mari Jungstedt
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Gutenachtküsse, aber sie war nicht bei der Sache. War nicht anwesend.
    Noch weniger war sie das bei Olle. Er hatte versucht, mit ihr zu reden. Sie zu trösten, zu umarmen. Alles, was er sagte, kam ihr töricht und sinnlos vor. Es ging sie nichts an. Er hatte sogar mit ihr schlafen wollen. Das fand sie beleidigend und wehrte ihn ab. Es schien Lichtjahre her zu sein. Wie hätte sie sich jetzt für Sex interessieren können?
    Sie dachte die ganze Zeit an Helena. Daran, was sie zusammen erlebt hatten. Was Helena immer gesagt hatte. Wie sie ihre Haare zurückgeworfen hatte. Oder Kaffee geschlürft. Wie sie sich voneinander entfernt hatten, seit Helena nicht mehr auf der Insel wohnte, obwohl ihr Kontakt nicht abgerissen war. Sie wusste nicht mehr so viel über Helena. Was hatte sie gedacht? Was hatte sie gefühlt? Wie sah ihre Beziehung zu Per eigentlich aus? Trotz aller Grübeleien war Emma von seiner Unschuld überzeugt.
    Darüber hatten sie und Olle sich gestritten. Er hielt die Fingerabdrücke für einen überzeugenden Beweis, vor allem im Hinblick auf den Streit bei der Party. Der Kerl sei doch total unberechenbar, hatte Olle gefaucht und sie mitleidig angesehen, als sie behauptet hatte, Per sei zu einer solchen Tat einfach nicht fähig.
    Und als ob das nicht schon genug Probleme wären, spukte auch noch dieser Journalist in ihren Gedanken herum. Johan.
    Emma begriff nicht, was in dem Café mit ihr passiert war. Diese Augen. Lebensgefährlich. Diese Hände. Trocken und warm. Er hatte sie geküsst. Es war nur ein flüchtiger Kuss gewesen, aber er hatte ausgereicht, ihr ein Prickeln durch den Körper zu jagen. Es war ein Gefühl von Vergangenem. Davon, wie es sein konnte.
    Sie hatte das schon früher erlebt. Vor Olle hatte sie viele Freunde gehabt. Immer war sie diejenige gewesen, die nicht mehr wollte. Wenn die Sache ernster wurde und sie eine Art Abhängigkeit fühlte, zog sie sich zurück.
    Olle war ein Kumpel gewesen, einer aus der alten Clique. Anfangs, als er unbeholfene Versuche gemacht hatte, sich mit ihr zu treffen, war sie vollkommen gleichgültig geblieben. Trotzdem hatten sie sich weiterhin getroffen, und ehe sie sich versah, war ein Jahr vergangen. Es war lustig und entspannt gewesen, mit ihm zusammen zu sein. Nur mit ihm war das so.
    Sie hatte das Verliebtsein satt gehabt. Entweder wartete man vor dem Telefon, dass er anrief, oder rief selbst mit hämmerndem Herzen an. Rendezvous in schummrigen Lokalen, schließlich gemeinsam ins Bett, Gefummel zwischen den Beinen. Was meint er? Bin ich gut genug? Sind meine Brüste zu klein?
    Danach kurze Momente des Glücks, Forderungen, Enttäuschungen und am Ende Gleichgültigkeit, bis die Sache mehr oder weniger im Sande verlief.
    Mit Olle war alles lustig gewesen. Und sie fühlte sich geborgen. Im Laufe der Zeit hatte sie sich in ihn verliebt. Und sie hatte sich wohl gefühlt. Viele Jahre lang. In letzter Zeit hatten ihre Gefühle nachgelassen. Sie hatte keine Lust mehr auf ihn. Betrachtete ihn eher als Kumpel. Johan hatte andere Gefühle in ihr geweckt.
    Sie schaltete das Radio ein, es kam Soul von Aretha Franklin. Sie sehnte sich nach einer Zigarette, konnte sich aber nicht überwinden, hinaus auf die Treppe zu gehen. Ihre Gedanken wanderten zurück zu Johan. Einem Mann aus Stockholm, der vermutlich nie wieder einen Fuß auf die Insel setzen würde. Was ja nur gut war. Vielleicht war sie an jenem Tag aus purer Erschöpfung besonders empfänglich gewesen. An ihrem ersten Schultag nach dem Mord. Für zwei Tage war sie wieder zur Arbeit gegangen und hatte alles erledigt, was vor den Sommerferien noch erledigt werden musste.
    Jetzt wollte sie nur noch Zeit für sich haben. Die Möglichkeit, einigermaßen wieder ins Gleichgewicht zu gelangen und ihre Gedanken zu sammeln. Glücklicherweise würden die Kinder zwei Wochen auf einer Kinderfreizeit verbringen.
    Ihre Apathie machte ihr zu schaffen. Normalerweise lebte sie in den Ferien auf. Aber im Moment war sie nur noch ein Schatten ihrer selbst. Ihre Energie war verschwunden. Es ermüdete sie bereits, wenn sie nur den Müllsack nach draußen brachte.
    Emma hob den Blick und schaute auf die Uhr an der Wand. Fast elf. Sie musste noch eine Waschmaschine anwerfen, ehe sie schlafen ging. Reiß dich zusammen, verdammt noch mal, dachte sie wütend.
    Die Arme voller schmutziger Wäsche bückte sie sich, um die Maschine zu füllen, erstarrte aber mitten in der Bewegung. Der Radio-Nachrichtensprecher teilte mit, dass auf dem

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