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Den du nicht siehst

Den du nicht siehst

Titel: Den du nicht siehst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mari Jungstedt
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trudelten langsam ein. Es war schon nach neun, als sich alle bei Knutas versammelt hatten. Sie hatten alle ungefähr die gleiche Geschichte gehört. Dass Frida in der Kneipe mit einem Mann ins Gespräch gekommen war und sich über eine Stunde mit ihm unterhalten hatte. Keine der Freundinnen hatte den Mann vorher schon einmal gesehen. Sie beschrieben ihn als groß, gut aussehend mit fülligem, mittelblondem Haar. Alter etwa Mitte dreißig. Eine der Freundinnen hatte Bartstoppeln erwähnt. Frida und dieser Unbekannte hatten ganz offen geflirtet, und er hatte zwischendurch ihre Hand gehalten.
    Die Freundinnen fanden das ziemlich unklug von Frida. Eine verheiratete Frau und Mutter von drei Kindern. Was würden die Leute sagen? Visby war nicht groß, und im Lokal hatten sie etliche bekannte Gesichter gesehen.
    Frida flirtete zwar gern, aber die Freundinnen konnten sich doch nicht vorstellen, dass sie mit einem Unbekannten nach Hause gehen würde. Da waren sie alle einer Meinung.
    Knutas’ Mobiltelefon klingelte. Er nahm den Anruf entgegen und brachte die anderen sofort mit einer Geste zum Schweigen. Während er angestrengt zuhörte, wurde Knutas’ Gesicht aschgrau.
    Alle Blicke hingen an ihm. Nachdem er das Gespräch beendet hatte, war die Spannung im Raum fast körperlich spürbar.
    »Auf dem Friedhof ist eine Leiche gefunden worden«, sagte Knutas düster und streckte die Hand nach seiner Jacke aus. »Allem Anschein nach war es Mord.«

 
     
     
     
    Der junge Mann, der die Tote gefunden hatte, war mit seinem Hund unterwegs gewesen. Am Friedhof war der Hund zwischen die Gräber gerannt und in einem Gebüsch verschwunden.
    Als das Ermittlungsteam eintraf, hatte sich bereits eine Gruppe von Neugierigen eingefunden. Mehrere Polizisten brachten Absperrband an und drängten die Schaulustigen zurück.
    Ein Polizist führte die Ermittler zu der Frauenleiche. Sie lag im Gebüsch versteckt. Knutas betrachtete den schmächtigen Leichnam voller Entsetzen. Die Frau lag auf dem Rücken und war nackt. Ihr Hals und ihre Brust waren voller Blut. Schmale, mehrere Zentimeter lange Schnittwunden zogen sich über Bauch, Oberschenkel, eine Schulter. Die von der Erde verschmutzten Arme lagen der Länge nach am Körper. An den Beinen waren Schürfwunden zu sehen. Das Gesicht war entsetzlich bleich. Sie sieht aus wie eine Wachspuppe, dachte Knutas. Als sei kein Blut mehr in ihren Adern. Ihre Haut war weißlich-gelb und stumpf. Die Augen weit aufgerissen und trübe. Als Knutas sich über ihren Kopf beugte, lief ihm ein eiskalter Schauer über den Rücken. Er schloss die Augen und riss sie wieder auf. Ein schwarzes, mit Spitzen besetztes Stück Stoff lugte aus dem Mund der Toten hervor.
    »Siehst du das?«, fragte er Karin Jacobsson.
    »Ja, ich sehe es.«
    Seine Kollegin hielt sich eine Hand vor den Mund. Hinter ihnen tauchte Sohlman auf.
    »Der Gerichtsmediziner ist schon unterwegs. Zufällig wollte er das Wochenende in Visby verbringen. Manchmal hat man eben Glück. Sie hat keine Handtasche bei sich und keinen Ausweis, aber es kann sich ja wohl nur um Frida Lindh handeln. Alter und Aussehen stimmen mit der Beschreibung überein. Außerdem wurde auf der anderen Straßenseite ein Damenrad im Gebüsch gefunden.«
    »Das ist einfach schrecklich«, sagte Knutas. Fast hätte sie es nach Hause geschafft.

 
     
     
     
    Der breite Flur der Sendeanstalt im Stockholmer Stadtteil Gärdet war überfüllt. Es war der Abend, an dem das Schwedische Fernsehen sein alljährliches Sommerfest veranstaltete, und alle Angestellten aus Stockholm waren eingeladen. Mehr als fünfzehnhundert Menschen tummelten sich in den riesigen Studios. Normalerweise wurden dort Unterhaltungssendungen und Seifenopern gedreht; jetzt aber sollten sie als Tanzfläche dienen.
    Der Flur selbst glich einer scheinbar endlosen Cocktailmeile, mehrere Bars reihten sich aneinander.
    Dort stand der biedere Meteorologe und tuschelte kichernd mit dem Boulevardjournalisten. Ein Moderator scharwenzelte mit glasigem Blick durch die Gegend, wie immer auf der Suche nach einer glatthäutigen, kurvenreichen Aushilfskraft, in die er seine Zähne schlagen könnte. Das Fernsehballett hüpfte über die Tanzfläche. Dicht an dicht, offenbar ungerührt von den vielen Menschen, die sich um sie drängten.
    Johan und Peter standen mit ihren Kollegen von den Regionalnachrichten an einer der Bars und tranken mexikanische Screwdrivers: Tequila mit Limonade, Limettensaft aus der Dose, frisch gepresster

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