Den du nicht siehst
vor. War wohl viel allein. Sie war erst vor kurzem hergezogen. Wie lange kann das her sein … ein halbes Jahr? Sie hat viele Jahre im Ausland gelebt, auf Hawaii. Ihre Eltern wohnten in Ljugarn, da ist sie aufgewachsen. Sie sind schon seit einigen Jahren tot. Sie sind bei einem Autounfall umgekommen, als Gunilla im Ausland war. Und stellen Sie sich vor, sie ist nicht einmal zur Beerdigung nach Hause gekommen! Sie hatten fast völlig den Kontakt verloren, seit sie erwachsen war. Sie wollte nicht einmal so heißen wie ihre Eltern. Kaum war sie mündig, hat sie ihren Namen in Olsson geändert. Ihre Eltern hießen Broström. Ich weiß, dass ihre Mutter sich darüber schrecklich aufgeregt hat. Sie hat auch einen Bruder, er wohnt auf dem Festland. Ich glaube, er heißt noch immer Broström. Gunilla war wohl das Kind, mit dem die Eltern Probleme hatten.«
»Was für Probleme?«
»Sie hat oft Schule geschwänzt, trug seltsame Kleidung und hatte immer eine neue Haarfarbe, wenn sie mir über den Weg lief. Ihr Vater war Pastor. Für ihn war das sicher besonders schwer. Sie war, wie soll man sagen, rebellisch. Als sie jünger war, meine ich. Nach der Schule ist sie nach Stockholm umgezogen und hat Kunst studiert, und dann weiß ich nur noch, dass sie ins Ausland gegangen ist.«
Johan staunte über die Frau, die sich als reines Auskunftsbüro erwies. Peter hatte sich zu ihnen gesellt, und die Kamera lief, während die Frau redete.
»Sie hat hier im Frühling mindestens zwei Ausstellungen gemacht«, sagte die Frau. »Ich glaube, die waren ein ziemlicher Erfolg. Na, sie machte ja auch schöne Sachen.«
Die redselige Dame streichelte ihren Hund, der vor Ungeduld bellte.
»Ach, das ist einfach zu schrecklich! Kann man sich denn jetzt nicht mal mehr auf die Straße wagen? Ich habe eine ihrer Ausstellungen besucht und versucht, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Aber das war verlorene Liebesmüh. Sie wollte eigentlich gar nicht antworten.«
»Wissen Sie, ob sie eine Beziehung hatte?«
»Nein, aber wo Sie schon fragen, ich habe hier in letzter Zeit einen Mann gesehen, den ich nicht kenne. Ich bin viel mit meinen Hunden unterwegs und bin diesem Mann mehrere Male begegnet.«
»Ach was? Wann denn?«
»Das erste Mal kann ein paar Wochen her sein. Ich kam hier eines Abends vorbei, als er gerade das Haus verließ.«
»Haben Sie miteinander gesprochen?«
»Nein. Ich glaube nicht, dass er mich bemerkt hat.«
»Können Sie ihn beschreiben?«
»Er war groß und hatte helle Haare.«
»Wie alt war er?«
»Er war noch ziemlich jung. Um die dreißig vielleicht. Ich habe danach noch mal einen Mann hier gesehen, und ich bin fast sicher, dass es sich um denselben handelt.«
»Wann war das?«
»Ungefähr eine Woche nachdem ich ihn zum ersten Mal gesehen hatte, ist er mir wieder über den Weg gelaufen. Er trat aus ihrem Haus und ging zur Bushaltestelle. Er schien es ziemlich eilig zu haben, er lief jedenfalls sehr schnell. Ich kam ihm entgegen und konnte ihn mir genauer ansehen. Er war gut angezogen, elegant. Kein bisschen schlampig.«
»Und er war um die dreißig, sagen Sie?«
»Ja, vielleicht ein wenig jünger oder auch älter. Das ist schwer zu sagen.«
Johans Puls beschleunigte sich. Diese Frau hier hatte vielleicht den Mörder gesehen!
»Wissen Sie, ob er ein Auto hatte?«
»Kann sein. Hier hat mal ein Auto gehalten, das ich nicht kannte. Ein Saab, ziemlich alt. Ich weiß nicht, welches Baujahr, aber zehn Jahre hatte er sicher schon auf dem Buckel.«
Johan beendete das Interview, und sie brachen zur Pressekonferenz im Polizeigebäude auf. Er rief den Reporter von den Landesweiten an, Robert Wiklander, der schon vor Ort war. »Aktuell« wollte live berichten. Auf Gotland gab es keinen Ü-Wagen mit der nötigen technischen Ausrüstung, aber bis zur Sendung um einundzwanzig Uhr würde sicher einer aus Stockholm eintreffen. Das hieß, dass Johan und Peter in die Redaktion fahren konnten, um ihre Beiträge für die späteren Sendungen zu schneiden.
Aber danach würden sie dann frei haben. Am Mittsommerwochenende wurden keine Regionalnachrichten gebracht. Robert und sein Kameramann übernahmen die restlichen Sendungen des Abends. Es war gut möglich, dass Johan am Mittsommertag tatsächlich frei haben würde. Robert arbeitete nicht zum ersten Mal auf Gotland und kannte sich aus. Er versprach, Johan nur dann anzurufen, wenn es sich wirklich nicht vermeiden ließ.
Mama, Hilfe. Alles ist schwarz. Mama, hilf mir. Er weinte mit
Weitere Kostenlose Bücher