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Den du nicht siehst

Den du nicht siehst

Titel: Den du nicht siehst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mari Jungstedt
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einer Lösung noch nicht näher gekommen waren. Mehrmals gab er das Wort an seine Kollegen weiter, wenn Fragen der Journalisten beantwortet werden mussten. Vor allem an Karin Jacobsson, aber auch an Martin Kihlgård, der die Ruhe selbst war. Knutas hatte die undankbare Aufgabe, ihre Ermittlungsarbeit zu verteidigen, wenngleich es ihnen bisher misslungen war, den Mörder zu fassen – mit fatalen Folgen. Seine Worte klangen hohl, auch in Knutas’ eigenen Ohren. Der Anblick der toten Gunilla Olsson ging ihm während der gesamten Pressekonferenz nicht aus dem Kopf.
    Die versammelten Reporter gaben sich alle Mühe, die Argumente der Polizei zu entkräften und die bisherigen Ermittlungen zu kritisieren. Manchmal fragte Knutas sich, wie diese Presseleute ihre Arbeit überhaupt ertragen konnten. Dieses ewige Infragestellen, diese ewige Suche nach Konfrontation, dieses Fokussieren auf das Negative. Wie konnten sie mit sich selbst leben? Worüber sprachen sie zu Hause beim Essen? Über den Krieg im Mittleren Osten? Die Lage in Nordirland? Die Währungsunion? Perssons Steuerpolitik?
    Er wurde plötzlich von einer gewaltigen Müdigkeit überwältigt. Die Fragen surrten durch die Luft wie wütende Hornissen. Er verlor die Konzentration, leerte ein Glas Wasser in einem Zug und konnte sich dann sammeln.
    Schließlich rückten die Presseleute ihm in Einzelinterviews auf den Leib.
    Zwei Stunden später war die Sache endlich überstanden. Er sagte den Kollegen, er wolle nicht gestört werden, und schloss sich in seinem Arbeitszimmer ein. Als er sich hinter den Schreibtisch sinken ließ, merkte er, dass ihm Tränen in den Augen standen. Herrgott, er war doch ein erwachsener Mensch. Er war vollkommen erschöpft und ausgehungert; ihm fiel ein, dass er seit dem Frühstück nichts mehr gegessen hatte. Sein Mittsommermahl war ja brutal unterbrochen worden. Kein Wunder, dass der Hunger an seinen Eingeweiden zerrte. Er rief Line im Ferienhaus an.
    »Komm nach Hause, Liebling. Die Gäste sind schon längst gegangen. Das Fest war von dem Mord überschattet. Es gibt noch jede Menge zu essen. Ich mache dir einen schönen Mittsommerteller, und kaltes Bier habe ich auch. Das wird dir gut tun. Fahr doch sofort los.«
    Als er ihre weiche Stimme hörte, fühlte er sich geborgen.

 
     
     
     
    Johan respektierte die Bitte der Polizei und hielt Namen und Bild der ermordeten Gunilla Olsson zurück. Er berichtete nicht einmal, dass sie Künstlerin war. Als Johan und Peter endlich alles fertig hatten, beschlossen sie, auszugehen, obwohl es schon nach Mitternacht war und sie eigentlich absolut erledigt waren.
    Es sei doch trotz allem die Mittsommernacht, meinte Peter.
    Johan stimmte ihm zu. Seit Tagen versuchte er, Emma anzurufen oder sie per Kurzmitteilung über ihr Mobiltelefon zu erreichen, aber er bekam keine Antwort. Sie feierte sicher mit ihrer reizenden Familie irgendwo auf einer Sommerwiese die Johannisnacht. Es hatte keinen Sinn, sich weiter nach ihr zu sehnen. Es würde ja doch nichts dabei herauskommen. Er würde seine Gefühle mit Alkohol betäuben. Er wollte Emma vergessen. Emma und die Morde und seine traurige Mutter, ja, den ganzen Dreck.
    Sie gingen zu einer Kneipe im Hafen. Dort wurde gefeiert, und die Gäste schienen von dem neuerlichen Mord noch nicht das Geringste zu wissen. Die meisten Menschen hatten am Mittsommerabend eben Besseres zu tun, als sich die Nachrichten anzusehen, überlegte Johan. Aber nur gut, wenn sie in seliger Unwissenheit schwebten.
    Sie bestellten jeder ein Bier.
    »Wie sieht’s denn mit Emma aus?«, fragte Peter.
    »Ach, das ist hoffnungslos. Das wird nie was.«
    »Und was empfindest du?«
    »Zu viel, nehme ich an. Ich weiß nicht. Wir kennen uns ja noch nicht lange, aber mir ist noch nie eine Frau wie sie begegnet. Es ist einfach zu schrecklich«, sagte Johan und grinste.
    »Was hast du vor?«
    »Keine Ahnung, aber das einzig Richtige wäre, sie ganz einfach zu vergessen. Ich kann jetzt nicht darüber reden. Dieser Tag war wirklich zu übel.«
    »Okay. Schönes Mittsommerfest also«, sagte Peter, prostete ihm zu und leerte sein Bierglas in einem Zug.
    Zwei jüngere Mädchen in engen, bauchfreien Oberteilen und mit langen Haaren drängten sich kichernd an sie, um etwas zu trinken zu bestellen. Knallrote Lippen und lachende Augen. Peter ergriff die Gelegenheit sofort.
    »Hallo, Mädels, was darf’s denn sein?«
    Die Mädchen tauschten einen vielsagenden Blick. Sie schauten zu Johan und Peter hoch und

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