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Den du nicht siehst

Den du nicht siehst

Titel: Den du nicht siehst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mari Jungstedt
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klimperten mit ihren dichten, mit der Zange geformten Wimpern.
    »Ein Glas Wein, bitte«, sagten sie wie aus einem Munde.
     
    Für Peter fiel der Abend lustiger aus, als er erwartet hatte. Johan gab sich alle Mühe, in Feststimmung zu kommen, aber das gelang ihm nicht. Er trank zu viel. Als der Morgen heraufzog, hing er in seinem Hotelzimmer über der Kloschüssel und erbrach sich wieder und wieder.

Samstag, 23. Juni

 
     
    Am nächsten Tag rief Emma an.
    »Hallo, ich bin’s.«
    »Hallo«, krächzte Johan schlaftrunken.
    »Verzeih, dass ich mich erst jetzt melde, aber wir waren über Mittsommer verreist. Und ich musste nachdenken«, fügte sie leise hinzu.
    Johans Schlaftrunkenheit wich einer leisen Hoffnung.
    »Wie geht es dir? Du hörst dich müde an. Bist du gerade erst aufgewacht?«
    »Mmm.«
    »Es ist zwei Uhr nachmittags.«
    »So spät schon?«
    »Können wir uns treffen? Olle und ich haben uns gestritten. Ich habe ihm gesagt, dass ich Zeit für mich brauche. Wenigstens ein paar Tage. Er ist mit den Kindern bei seinem Bruder und dessen Familie in Burgsvik geblieben. Ich muss dich sehen.«
     
    Sie wirkte fast durchsichtig. Grau und in sich zusammengesunken. Als sei sie seit ihrer letzten Begegnung geschrumpft. Sie stand einfach nur da. Mit roter Nase und geschwollenen Augen. Er zog sie in sein Zimmer.
    »Was ist passiert?«
    »Nichts ist passiert. Ich bin einfach fertig. Ich weiß nicht mehr weiter.«
    »Setz dich.«
    Emma schniefte. Johan holte Toilettenpapier. Sie setzten sich aufs Bett.
    »Das waren schreckliche Tage«, sagte sie. »Wir sind zu Olles Bruder und seiner Familie gefahren. Ich hatte das Gefühl, dass ich von dir weg müsste. Mein altes Leben führen. Distanz gewinnen. Wir haben gebadet und gespielt und abends gegrillt. Die Kinder fanden das natürlich wunderbar, mit Vettern und Kusinen und Großeltern und allem. Für mich war es schrecklich anstrengend. Manchmal bin ich mir total leer vorgekommen. Es war so belastend, weil alle sich verhielten, als sei nichts passiert. Sie machten alles wie immer, weißt du. Würzten die Steaks, kochten Kaffee, spielten Mensch ärgere dich nicht, mähten den Rasen. Aber je chaotischer ich mich fühle, umso schwerer fällt mir der normale Ablauf. Das, was man sonst macht. Kannst du das verstehen?«
    Sie sprach weiter, ohne seine Antwort abzuwarten.
    »Olle und die Kinder bleiben noch eine Weile dort. Ich habe gesagt, ich müsste nach Hause. Allein sein. Olle glaubt, dass es daran liegt, was passiert ist. Dass ich einen Schock erlitten habe. Dass es sich um eine vorübergehende Krise handelt. Er hat schon eine Therapeutin für mich gesucht. Ich glaube aber nicht, dass es so einfach ist. Es ist noch mehr. Ich habe das Gefühl, dass ich Olle nichts mehr zu sagen habe. Dass es zwischen uns keine Gemeinsamkeiten mehr gibt.«
    Sie putzte sich mehrmals energisch die Nase.
    »Ich weiß nicht, was ich machen soll. Das alles kann nicht nur mit dir und mir zusammenhängen. Wir haben uns doch erst wenige Male gesehen. Das ist einfach verrückt. Ich weiß nicht, was mit mir los ist – ich muss wohl übergeschnappt sein.«
    »Mir ist noch nie eine Frau wie du begegnet, aber ich will dein Familienleben nicht zerstören«, sagte Johan.
    »Es ist nicht nur deine Schuld. Ich habe mich sehenden Auges auf diese Sache eingelassen. Und warum habe ich das getan? Das muss doch daran liegen, dass bei Olle und mir nichts mehr übrig ist. Zwischen uns läuft nichts mehr. Es ist zu Ende. Im tiefsten Herzen glaube ich auch gar nicht, dass du dabei eine entscheidende Rolle spielst. Früher oder später wäre es zwischen Olle und mir auch sonst vorbei gewesen.«
    Jetzt kamen ihr die Tränen.
    Johan umarmte sie.
    »Wir sollten uns vielleicht trotzdem nicht mehr sehen. Willst du das?«
    »Nein, das will ich nicht.«
    Sie schwiegen eine Weile. Johan streichelte Emmas Kopf. Drückte sie an sich. Spürte die Wärme ihres Körpers.
    »Ich brauche eine Zigarette«, sagte Emma und stand auf.
    Sie setzte sich in den Sessel vor dem Fenster.
    »Hast du etwas zu trinken?«
    »Ja. Was möchtest du?«
    »Eine Cola. Und hast du Schokolade?«
    Johan öffnete die Tür der Minibar und zog zwei Flaschen Cola und eine Tafel Schokolade heraus.
    »Was weißt du eigentlich über den letzten Mord? Das ist doch wie ein Albtraum. Ich traue mich bald nicht mehr aus dem Haus. Wer ist sie? Weißt du das?«
    »Eine Künstlerin. Sie hieß Gunilla Olsson. Fünfunddreißig Jahre alt. Hat offenbar bis vor kurzem im

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