Den du nicht siehst
herumgelaufen. Ein Phantombild ist eine Chance, ihn rasch zu erwischen.«
»Ich finde, das ist das einzig Richtige«, stimmte Sohlman ihm zu. »Wir müssen diese Maßnahmen ergreifen. Er kann doch jederzeit wieder loslegen. Zwischen den beiden letzten Morden lag nur eine Woche. Jetzt dauert es vielleicht nur ein paar Tage, bis er erneut zuschlägt. Uns läuft die Zeit davon.«
»Das ist doch einfach der komplette Wahnsinn«, polterte Kihlgård. »Was glaubt ihr wohl, was passiert, wenn die Leute das Bild sehen? Sie werden sich an alle möglichen Bekannten erinnert fühlen. Wir werden mit Hinweisen zugeschüttet werden. Die blanke Hysterie wird ausbrechen, das kann ich euch sagen. Und dann tragen wir die Verantwortung. Und wie wollen wir das bewältigen? Wir haben mit dem Versuch, diesen Irren ausfindig zu machen, schon mehr als genug zu tun.«
»Worauf sollen wir das Phantombild aufbauen?«, wandte Karin ein. »Wir haben zwei Personen, die jemanden gesehen haben, bei dem es sich um den Täter handeln könnte. Die Frau, die Gunilla Olssons Keramik verkauft, und die Nachbarin, die bei ihrem Haus einem Mann begegnet ist. Und natürlich Frida Lindhs Freundinnen, die den Mann in der Bar beobachtet haben. Wir wissen noch immer nicht, ob er der Täter ist. Das ist nur ein Verdacht. Und inwieweit stimmen die Zeugenaussagen überhaupt überein? Was passiert, wenn sie sich irren? Bei einem Phantombild gibt es immer zwei große Risiken. Zum einen können die Zeugen sich täuschen, und wir geben ein Bild heraus, das nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Zum anderen ist es möglich, dass sie nicht den Mörder gesehen haben, sondern jemand anders. Ich finde das mit dem Phantombild zu riskant. Es kommt mir unklug vor, jetzt zu so drastischen Mitteln zu greifen.«
»Drastisch«, wiederholte Knutas mit vor Sarkasmus triefender Stimme. »Ist es denn ein Wunder, wenn man in dieser Lage zu drastischen Mitteln greift? Wir haben drei Morde am Hals. Die ganze Insel ist vor Entsetzen wie gelähmt. Es gibt Frauen, die sich in dieser Hochsommerhitze nicht mehr aus dem Haus trauen, und ansonsten schaut uns so ungefähr das gesamte Land auf die Finger. Als Nächstes haben wir sicher den Ministerpräsidenten an der Strippe. Wir müssen diesen Fall lösen. Ich will den Mörder innerhalb einer Woche überführen. Koste es, was es wolle. Wir holen sofort einen Zeichner her, der sich an das Phantombild setzt. Es muss so schnell wie möglich veröffentlicht werden. Außerdem will ich Hagman und Nordström zu weiteren Vernehmungen herholen. Und ich will noch einmal persönlich mit allen sprechen, die die Party bei Helena Hillerström besucht haben. Mit allen. Und wie sieht es mit der Vergangenheit der Opfer aus? Kommt ihr da irgendwie weiter?«
Björn Hansson vom Landeskriminalamt antwortete.
»Da sind wir voll dran. Helena Hillerström hat Frida Lindh offenbar nicht gekannt. Helena Hillerström und Gunilla Olsson haben unterschiedliche Gymnasien besucht und scheinen keine gemeinsamen Interessen gehabt zu haben. Und zwischen Gunilla und Frida können wir überhaupt keine Verbindung herstellen. Frida Lindh stammte, wie alle wissen, aus Stockholm. Sie hieß eigentlich Anni-Frid, und ihr Mädchenname war Persson. Derartige Untersuchungen brauchen ihre Zeit und sind jetzt im Sommer wirklich nicht leicht. Im Moment macht doch alle Welt Urlaub.«
»Ja, ja«, sagte Knutas ungeduldig. »Aber versucht es weiter und beschleunigt das Tempo so weit wie nur möglich. Wir haben keine Zeit zu verlieren.«
Nach der Besprechung schloss Knutas sich in seinem Zimmer ein. Er war wütend. Auf alles und jeden. Er setzte sich an den Schreibtisch. Sein Hemd klebte ihm am Leib. Große Schweißflecken zeichneten sich unter seinen Armen ab. Er fand es schrecklich, sich so ungepflegt zu fühlen. Die ersehnte Hitze ging ihm bereits auf die Nerven. Ihm fiel das Denken schwer. Es war fast unmöglich, sich zu konzentrieren. Am liebsten wäre er nach Hause gefahren, um lange kalt zu duschen und zwei Liter Eiswasser zu trinken. Er stand auf und ließ das Rollo herunter. Eine Klimaanlage hatte das Polizeigebäude nicht. Die galt als zu teuer, weil man davon ausging, dass sie doch nur an wenigen Tagen im Jahr benötigt wurde. Er freute sich auf die für den Herbst geplante Renovierung; hoffentlich würden sie dann klug genug sein, eine Klimaanlage einzubauen. Man muss sich verdammt noch mal konzentrieren können, wenn man komplizierte Mordfälle aufklären
Weitere Kostenlose Bücher