Den du nicht siehst
soll, dachte er wütend. Dass die Kleider der Toten aufgetaucht waren, war immerhin ein Fortschritt. Er würde sich das Bootshaus später ansehen. Im Moment war es besser, die Spurensicherung in Ruhe arbeiten zu lassen. Er fing an, die Ordner mit den Vernehmungsprotokollen durchzublättern. Drei Ordner, einer für Helena Hillerström, einer für Frida Lindh und jetzt noch einer für Gunilla Olsson. Er hatte das unangenehme Gefühl, bei diesen Ermittlungen nicht alles erfahren zu haben. Das hatte ja auch der Aufenthalt in Stockholm gezeigt. Der Besuch bei Helena Hillerströms Eltern. Die Abtreibung, die bis dahin niemand erwähnt hatte. Wie waren die anderen Vernehmungen geführt worden? Er beschloss, sämtliche Unterlagen noch einmal durchzugehen. Zuerst die Vernehmungen der Eltern.
Gunilla Olssons Eltern waren tot, und ihren Bruder hatten sie nach wie vor nicht erreicht. Er schlug den Ordner für Frida Lindh auf. Gösta und Majvor Persson. Gullvivegränd 38 in Jakobsberg. Er hatte sie während seines Besuchs in Stockholm aufsuchen wollen, aber der Kleiderfund war dazwischengekommen. Er begann zu lesen. Bei der ersten Vernehmung schien alles seine Ordnung gehabt zu haben, aber Knutas hatte trotzdem ein ungutes Gefühl.
Nach viermaligem Klingeln wurde der Hörer abgenommen. Am anderen Ende meldete sich eine Frau.
»Persson.«
Er stellte sich vor.
»Da müssen Sie mit meinem Mann reden«, sagte die Frau mit schwacher Stimme. »Er ist draußen im Garten. Warten Sie einen Moment.«
Gleich darauf war der Mann am Telefon.
»Ja?«
»Hier spricht Anders Knutas von der Kriminalpolizei Visby. Ich leite die Ermittlungen in dem Mordfall an Ihrer Tochter. Ich weiß, dass Sie bereits mit der Polizei gesprochen haben, aber ich möchte Ihnen doch noch ein paar Fragen stellen.«
»Ach?«
»Wann haben Sie Ihre Tochter zuletzt gesehen?«
Nach kurzer Pause sagte der Vater tonlos:
»Das ist schon lange her. Wir hatten leider wenig Kontakt. Das hätte sehr viel besser sein können. Wir haben uns zuletzt bei ihrem Umzug gesehen. Die Kinder wollten sich verabschieden. Und das war dann in jeder Hinsicht das letzte Mal.«
Erneut eine Pause, diesmal eine etwas längere. Dann sprach der Vater weiter.
»Aber ich habe vorige Woche noch mit ihr telefoniert, als Linnea fünf wurde. Ja, man will doch wenigstens an ihren Geburtstagen mit seinen Enkelkindern sprechen.«
»Was hatten Sie dabei für einen Eindruck von Frida?«
»Sie hörte sich ausnahmsweise mal glücklich an. Sie erzählte, dass sie sich auf Gotland jetzt endlich wohl fühlte. Anfangs hatte sie es dort schwer. Sie hatte ja eigentlich gar nicht hinziehen wollen. Hatte es nur Stefan zuliebe getan. Typisch, dass sie sich gerade in einen Gotländer verlieben musste. Sie verabscheute Gotland, wollte nie über die Zeit sprechen, in der wir in Visby gewohnt haben.«
Knutas verschlug es die Sprache. Es fiel ihm schwer zu fassen, was der Mann am anderen Ende der Leitung da gesagt hatte.
»Hallo?«, hörte er nach einigen Sekunden die Stimme des Vaters.
»Was haben Sie gerade gesagt, Sie haben früher mal in Visby gewohnt?«, keuchte Knutas.
»Ja, wir sind probehalber hingezogen, haben dort aber nur einige Monate verbracht.«
»Was wollten Sie dort?«
»Ich war damals beim Militär und wurde nach Gotland versetzt. Das ist wirklich lange her. Es war in den Siebzigerjahren. Unser Haus hier in Jakobsberg haben wir damals vermietet. Aber es gefiel uns nicht auf Gotland. Vor allem Frida fand alles schrecklich. Sie schwänzte die Schule und war zu Hause wie verhext. Sie benahm sich einfach unausstehlich.«
»Wieso haben Sie das den Kollegen nicht schon erzählt?«, fragte Knutas aufgebracht.
Es fiel ihm schwer, seinen Unmut zu verbergen.
»Ich weiß nicht. Es war doch nur eine kurze Zeit. Und es ist so lange her.«
»In welchem Jahr haben Sie in Visby gewohnt?«
»Mal überlegen … ja, das muss im Frühjahr ’78 gewesen sein. Für Frida war das ein unglücklicher Zeitpunkt. Sie musste mitten im Schuljahr die Schule wechseln. Wir sind zu Ostern umgezogen.«
»Wie lange haben Sie hier gewohnt?«
»Wir wollten mindestens ein Jahr bleiben, aber dann bekam meine Frau Krebs und wollte wieder nach Stockholm, um ihre Familie in der Nähe zu haben. Ich konnte mich zurückversetzen lassen, und seit Anfang des Sommers waren wir wieder hier.«
»Wo genau haben Sie gewohnt?«
»Ja, wie hieß die Straße noch? Sie lag jedenfalls außerhalb der Stadtmauer. Iris irgendwas. Ja,
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