Den ersten Stein
stand halb offen. Ich nahm die Treppe.
Jacks Wohnung lag am Ende eines feuchten, schmalen Korridors mit zerfetzten Tapeten. Die Wände waren so dünn, dass ich das
Ächzen eines Mannes hören konnte, der sich auf sein Sofa setzte, eine Toilettenspülung und ein rhythmisches Pochen, das aus
dem unteren Stockwerk heraufdrang und entweder von einem Paar im Liebesakt kam oder davon, dass gerade jemand totgeschlagen
wurde. Ich klopfte an Jacks Tür und wartete so weit seitlich, wie der Korridor es erlaubte, für den Fall, dass er der nervöse
Typ war. Keine Reaktion. Mit Hilfe einer gekündigten Kreditkarte öffnete ich die Tür. Die Wohnung war zu leer, um unordentlich
zu sein. Eine Kommode stand neben dem Fenster, das auf Häuser hinter einem Niemandsland von brachliegenden Gärten hinaussah.
Zwei wacklige Holzstühle zu beiden Seiten eines weißen Kunststofftischs und eine Sprungfedermatratze nahmen den Rest des einzigen
Raums ein. Ein winziges Badezimmer und eine noch kleinere Kochnische vervollständigten die Ausstattung. In zehn Jahren würde
jemand diese Wohnung kaufen, all die Kämpfe und die Verzweiflung, die in die Wände eingesickert waren, überstreichen, und
das Ganze Loft nennen. Schade nur, dass man die Bewohner nicht auf dieselbe Weise renovieren konnte.
Jacks wenige Sachen waren schnell durchsucht. In der Kommode lagen ein paar T-Shirts aus Armeebeständen, Socken und Unterwäsche, alles klein zusammengerollt, als erwartete er den nächsten Marschbefehl. Im Badezimmer
befanden sich eine Zahnbürste und ein stumpfes Rasiermesser. In dem einzigen Schrank der Küchenecke stand nur ein großes Glas
Instantkaffee.
Ein Schlüssel wurde im Schloss herumgedreht. Ich hatte gerade genug Zeit, mich gegen das Spülbecken zu drücken. Die Kochnische
würde mich verbergen, es sei denn, die Person, die durch die Tür kam, ging drei Schritte und drehte sich nach links. Ich holte
meine Pistole aus ihrem Halfter. Die Tür ging zu. Ich hörte einen Schritt, dann einen zweiten, ein lautes Knarren des verzogenen
Bodens. Ich wartete ab.
»Sollen wir den ganzen Tag so rumstehen, oder kommen Sie heraus?«, fragte eine männliche Stimme.
Ich tat den einen Schritt, den ich brauchte, um in den Hauptraum zu treten, die Waffe erhoben, und sah in die Mündung einer
anderen Pistole. Jack Small hielt sie in der Hand. »Ich bin nicht hier, um Ihnen etwas zu tun«, sagte ich.
Jack lächelte ein wenig. Sein dunkles, braunes Haar war fettig und lang. Ein ungleichmäßiger, kümmerlicher Bart verbarg beinahe
die alten Narben in seinem Gesicht. Mit seinen schmutzigen braunen Tennisschuhen scharrte er unruhig über den Boden, während
er mich beobachtete. Auf den ersten Blick war Jack einfach ein weiterer dieser innerlich versehrten Soldaten, die unter Straßenüberführungen
herumlungerten und die Kulisse des Central Park verschandelten. Doch die ruhige Hand, mit der er die Waffe hielt, und der
Blick seiner kalten, grauen Augen sagten etwas anderes.
»Falls das stimmt«, sagte Jack, »was macht dann diese Pistole in Ihrer Hand?«
»Sie leistet der Waffe in Ihrer Hand Gesellschaft«, sagte ich. »Wie wäre es, wenn wir beide unser Spielzeug weglegen und uns
wie Erwachsene unterhalten?«
»Ich kenne Sie überhaupt nicht, Kumpel«, sagte Jack. »Meine Pistole bleibt, wo sie ist. Sie erzählen mir jetzt besser, warum
Sie hier sind, sonst schmeiße ich Sie aus dem letzten heilen Fenster in dieser Bude.«
»Der
Kreuzzug der Liebe
überwacht Sie seit mindestenseinem Monat.« Seine Augen zuckten in einer winzigen Andeutung von Überraschung.
»Darf ich mich setzen?«, fragte ich.
Wir zogen gleichzeitig die Stühle vom Tisch weg und hielten dabei die Pistolen auf das Herz des anderen gerichtet. Ich setzte
mich hin und behielt die Waffe auf meinem rechten Knie. Jack stellte seinen Stuhl zwei Schritte von meinem entfernt vor das
offene Fenster. Meine Fünfundvierziger hatte eine größere Mannstoppwirkung als die Achtunddreißiger in seiner Hand, aber auf
diese Entfernung war das ein rein theoretischer Unterschied.
»Ich habe ein paar Fotos in meiner Manteltasche«, sagte ich. »Ich hole sie jetzt heraus.«
Jack antwortete nicht. Ich nahm die Bilder langsam aus meiner Tasche und legte sie auf seinen Knien aus.
Er betrachtete sie aus dem Augenwinkel und hielt den Blick und die Waffe weiter auf mich gerichtet. »Sie könnten die Fotos
selbst gemacht haben.«
»Ich hätte Sie erschießen
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