Den lass ich gleich an
und noch viel mehr«, erwiderte Mike und grinste.
Na also, spätere Heirat nicht ausgeschlossen, scherzte Lulu in Gedanken, während sie einen unsicheren Schritt auf das Taxi zu machte. Mike, der Gentleman vom Dienst, hielt ihr sogar den Wagenschlag auf.
Selig ließ sich Lulu auf den Rücksitz fallen. Das Leben war herrlich. Sie hatte jetzt einen waschechten Verehrer mit der Aussicht auf mehr.
Gerade nannte sie ihre Adresse, als plötzlich die gegenüberliegende Tür aufgerissen wurde. Völlig selbstverständlich glitt Mike neben sie auf den Rücksitz.
»Ich bringe dich natürlich nach Hause«, verkündete er. »Und vorher machen wir einen kleinen Umweg.« Er beugtesich zum Taxifahrer vor. »In die Humboldtstraße bitte, Nummer vier.«
Überrumpelt sah Lulu ihn an. Nee, nee. So war das nicht gedacht. Überhaupt nicht!
»Ich muss jetzt wirklich …«
»Nur eine Minute. Ich habe noch eine kleine Überraschung für dich«, erklärte Mike. »Der Entwurf für die neue Imagekampagne ist heute gekommen. Es geht um ein Versicherungsunternehmen. Das wird dich überzeugen.«
Das Taxi fuhr los. Lulu umklammerte ihren Rucksack. Was sollte das denn werden? Nicht gut. Gar nicht gut. Andererseits: Was konnte ihr schon passieren? Sie war eine erwachsene Frau, sie trug High Heels, für die man einen Waffenschein brauchte, und Wäsche, die einen Keuschheitsgürtel ersetzte.
Schon nach wenigen Minuten hielt das Taxi wieder. Galant half Mike ihr aus dem Wagen und führte sie zu einem gläsernen Aufzug, der an der Fassade eines Hochhauses klebte. Lulu war nicht schwindelfrei. Angstvoll betrachtete sie das gläserne Nichts, das über dem Abgrund schwebte. Nie im Leben würde sie in dieses Dings steigen! Doch Mike hatte sie schon untergehakt und steckte seinen Schlüssel in ein winziges Schloss. Sofort raste der Aufzug herab, und Mike schob Lulu in den Glaskasten.
Sie schloss die Augen. Völlig geräuschlos setzte sich der Aufzug in Bewegung. Ihr Magen allerdings ließ sich nicht überlisten. Die Austern und der Fisch erwachten zu neuemLeben, der Champagner begann zu blubbern. Lass es enden, betete sie stumm. Und zwar ohne lang hinschlagen und Trara.
Als sie oben angekommen waren, öffnete Lulu vorsichtig die Augen. Mit einer theatralischen Geste breitete Mike die Arme aus.
»Willkommen in meinem Schloss, Prinzessin!« Noch immer verbreitete er eine verdächtig gute Laune.
Steifbeinig stakste Lulu aus dem Aufzug. Mikes Loft wirkte wie aus einem Hollywoodfilm. Der riesige, kaum möblierte Raum war in Latte-macchiato-Braun gestrichen, und mitten in der penibel aufgeräumten Hochglanzkulisse stand ein mannshoher Schieferkübel mit weißen Orchideen. Wenn Lulu nicht so beschwipst gewesen wäre, hätte sie diese Wohnung zweifellos bewundert. So warf sie nur ihren Rucksack auf den spiegelblanken Küchentresen, murmelte ein »nette Hütte« und balancierte zur nächstbesten Couch. Keine Sekunde länger hielt sie es in diesen Folterschuhen aus.
Aaah! Mit einem Seufzer der Erleichterung ließ sie sich auf die Couch plumpsen und streifte die High Heels von den Füßen. Das zusammengeknüllte Toilettenpapier rollte auf den Boden, Lulu bemerkte es nicht einmal.
Mike umrundete währenddessen den Küchentresen aus Wurzelholz und öffnete einen chromglänzenden Kühlschrank. Er genoss es sichtlich, sein Reich vorzuführen. Hier war er der King im Ring.
Lulu sah sich um. Doch, Geschmack besaß er, der Mike.Sie hatte genug Möbel in ihrem Leben fotografiert, um zu wissen, dass es sich ausschließlich um erlesene Designerstücke handelte – lederbezogene Stühle aus Stahlrohr, ein geschwungener Glastisch, italienische Tütenlampen. Unwillkürlich überlegte sie, ob Lotte sich in dieser unterkühlten Atmosphäre wohl fühlen würde. Na ja, hier musste sich einiges ändern. In Gedanken richtete Lulu das Loft neu ein. Vielleicht könnte man eine Schaukel an den massiven Querbalken anbringen? Und lustige bunte Sessel im Raum verteilen? Auch ein paar kuschelige Teppiche mussten her. Auf jeden Fall war Platz genug für das Barbieschloss, das sich Lotte seit langem wünschte.
»Ich habe Champagner kalt gestellt, Prinzessin!«, rief Mike ihr zu, der am Kühlschrank hantierte. »Und dann zeige ich dir die Entwürfe!«
Er sieht nicht das Aschenputtel in mir, sondern die Prinzessin, dachte sie erleichtert. Was konnte ihr Besseres passieren? Früher hatten Männer ihre Angebeteten mit Briefmarkensammlungen geködert. Mike schützte die Entwürfe vor.
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