Den lass ich gleich an
Lage, sie länger zu beruhigen.«
Mit wenigen Schritten war Mike bei ihr. »In unserer Branche geht das Business vor, das solltest du eigentlich wissen. Was ich wollte, ist eine hochmotivierte Mitarbeiterin! Aber dein Verhalten ist ja total unprofessionell!«
Business, Mitarbeiterin, unprofessionell – Lulus Herz war plötzlich ein Eisklumpen.
»Es, es … war also nur – ein, äh, Geschäftsessen?«, stammelte sie.
Er lachte überheblich. »Was hast du denn gedacht? Sieh mal in den Spiegel. Meinst du wirklich, dass sich auch nur ein Mann nach einer wie dir umdreht?«
Es fühlte sich an, als hätte sie einen Peitschenhieb bekommen. Es war also von Anfang an nur um den Job gegangen. Mike hatte nicht sie gemeint, sondern die Fotografin, die er der Konkurrenz abjagen wollte.
»Aber …«
»Wenn auf deinem T-Shirt nicht ›It’s a girl‹ stehen würde, käme man jedenfalls nicht auf die Idee, dass du eine Frau bist.«
Er betrachtete sie so verächtlich, dass es Lulu mitten durchs Herz schnitt. »Ich würde dich nicht mal anrühren, wenn wir die einzigen Überlebenden auf einer einsamen Insel wären.«
Etwas Vernichtenderes konnte man einer Frau kaum sagen.
»Na los doch, geh zu deinem Kind«, blaffte er sie an. »Und vergiss den Vertrag. Muttertiere kann ich nicht gebrauchen.«
Lulu war am Ende ihrer Beherrschung. Schluchzend stürzte sie zum Lift und hämmerte wie von Sinnen auf den Aufzugsknopf.
Sie wollte nur noch nach Hause. Als sie sich noch einmal umdrehte, sah sie, wie Mike den Fernseher anstellte. Er hatte sie schon abgehakt.
Lulu weinte im Aufzug, Lulu weinte auf der Straße, und sie schniefte immer noch, als sie den Taxifahrer bezahlte. Sie hatte es mal wieder vergeigt. Mit Pauken und Trompeten. Während sie in ihrem Rucksack nach einem Taschentuch suchte, wurde sie immer kleiner auf ihrem Sitz. Mike war ein gestörter Egoist. Trotzdem, er hatte ja recht. Sie war keine Frau, nach der man sich umdrehte. Sie war alles andere als begehrenswert. War sie überhaupt noch eine Frau?
Kapitel 3
Kaum hatte Lulu die Wohnungstür aufgerissen, als Lotte auch schon in ihre Arme stürzte. Mit versteinertem Gesicht stand Gill im Flur. Lulu würdigte sie keines Blicks.
»Mein Lottchen, mein Süßes, was war denn los?«
Lotte brachte kein Wort heraus. Stattdessen klammerte sie sich an Lulu wie ein Betrunkener an einen Laternenmast.
»Komm, mein Liebling, Mama bringt dich ins Bett«, flüsterte Lulu. »Hast du Kamillentee bekommen?«
Lotte nickte. Eine Welle der Zärtlichkeit überrollte Lulu, als sie ihre Tochter ins Kinderzimmer trug. Wieder und wieder küsste sie Lottes heiße Stirn. Kein Mann der Welt war es wert, Lottchen allein zu lassen. Lotte war doch alles, was sie hatte. Männer kamen und gingen, ein Kind aber war für immer.
Schon nach wenigen Minuten schlief Lotte tief und fest. Auf Zehenspitzen schlich Lulu aus dem Kinderzimmer und schloss die Tür. Jetzt war alles gut. Fast alles. Denn in der Küche saß Gill und sah sie mit stummem Vorwurf an.
Auch Lulu schwieg. Mit Sicherheit war das Ganze nicht nur eine Magenverstimmung gewesen. Warum hatte Lotte keine Großmutter, der man sie sorglos anvertrauen konnte?Warum musste immer alles so schwer sein? Lulu goss sich ein Glas Rotwein ein. Rabenoma.
»Wo sind denn deine Schuhe geblieben?«, eröffnete Gill das Gespräch.
Lulu sah an sich hinunter. War sie etwa ohne ihre Superpumps aus Mikes Loft geflüchtet? Wie krass war das denn? Sie hatte es nicht einmal bemerkt. War barfuß auf die Straße gerannt und hatte ein Taxi angehalten. Aber was spielte das jetzt noch für eine Rolle?
»Herzlichen Glückwunsch, Mutter«, sagte sie bitter. »Das ist ja toll gelaufen. Tausend zu eins, dass der Typ nie wieder anruft.«
Die Tatsache, dass Mike keinerlei erotisches Interesse an ihr hatte, ließ sie lieber weg. Diese Erkenntnis war einfach zu niederschmetternd. Sie setzte sich an den Küchentisch und nahm einen Schluck Wein. Er schmeckte scheußlich.
Gill rutschte auf ihrem Stuhl hin und her. »Lotte ist eben schwierig. Ich glaube, sie mag mich nicht.«
»Das wundert mich aber, wo du doch so eine liebe Omi bist«, ätzte Lulu. »Wieso kann ich nicht einfach mal einen schönen Abend haben? Der Mann war …«
Unwirsch unterbrach Gill sie. »Du brauchst keinen Mann, du brauchst mal Urlaub! Bist ja nur noch ein Nervenbündel! Und wie du aussiehst! Wie ein Bauarbeiter. Deine Jeans hat Flecken und Löcher, und das T-Shirt macht den Eindruck, als hättest du
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