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Den lass ich gleich an

Den lass ich gleich an

Titel: Den lass ich gleich an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Berg
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Schnellduschen auf, zog die Klamotten des letzten Abends noch mal an und suchte ihre Kameraausrüstung zusammen. Das alles war keine Kleinigkeit, wenn man einen Kopf wie einen Basketball hatte.
    »Und? Wie war er?«, fragte Lotte, als sie ihr Ei löffelte.
    »Wer? Ach so. Tja, eigentlich ganz in Ordnung.«
    Die verheerende Schlappe würde sie ihrer Tochter nicht eingestehen. Es reichte schon, dass sie selbst völlig demoralisiert war.
    Lotte setzte ihr süßestes Schlaumeiergrinsen auf. »Habt ihr geknutscht?«
    »Was?« Lulu fiel fast die Espressotasse aus der Hand.
    »Geknu-uutscht!«, wiederholte Lotte, wie eine Lehrerin, die sich mit einer besonders begriffsstutzigen Schülerin abmühen muss.
    »Das ist kein Gesprächsthema für eine Achtjährige«, wich Lulu aus, während sie ein Brötchen aufschnitt und mit Butter bestrich.
    Mit aller Wucht kehrte die Erinnerung an den verkorksten Abend zurück.
    Mike hatte ihr auf ziemlich brutale Weise gezeigt, dasssie als Frau abgemeldet war. Sie war ein Neutrum, ein Wesen, das man übersah.
    »Was hat er denn für einen Beruf?«, wollte Lotte wissen.
    »Er macht Werbung und …«
    Die Worte blieben Lulu im Halse stecken. Mike! Siedend heiß fiel ihr ein, dass er heute beim Fotoshooting für den Joghurt aufkreuzen würde. Ob er sich mittlerweile beruhigt hatte?
    Sie nahm sich vor, ihn in der Mittagspause abzufangen. Mike war kein Unmensch. Bestimmt war er schon selbst darauf gekommen, dass man Frauen nicht als Muttertiere beschimpfen durfte. Und dass es völlig normal war, wenn eine Mutter sich Sorgen um ihr krankes Kind machte. Nannte man so was nicht soziale Kompetenz?
    Sie drückte Lotte das Brötchen in die Hand, schnappte sich ihren Rucksack, und Hand in Hand rannten sie los. Natürlich war ihr Auto eingeparkt. Natürlich versperrte diesmal ein Möbelwagen die Straße. Und ebenso natürlich schalteten alle Ampeln wieder mal auf Rot, sobald sie sich ihnen näherte. Dennoch schaffte sie es, Lotte pünktlich in der Schule abzuliefern.
    Hechelnd kam Lulu eine halbe Stunde später im Fotostudio an. Ihr Kopf dröhnte wie ein Presslufthammer. Schon der bloße Gedanke an Joghurt ließ ihren Magen Achterbahn fahren. Von Mike gar nicht zu reden.
    Job ist Job, schärfte sie sich ein. Und wenn er auch nur ein Fünkchen Anstand im Leib hat, wird er die Peinlichkeitendes gestrigen Abends einfach übergehen. Ein Mann mit Stil macht das so.
    Im Studio war bereits hektische Betriebsamkeit ausgebrochen. Ein Heer von Stylisten, Beleuchtern und Makeup-Spezialisten wuselte durcheinander. Mike hatte an nichts gespart. Die Setdekoration war geradezu überwältigend: teure Designercouchen, feinstes Porzellan, Berge von Blumen und sogar einige Fitnessgeräte hinter einer Glaswand.
    Mikes Agentur arbeitete im Premiumsegment. Ein simpler Joghurt konnte zum Kassenschlager werden, wenn man ihn perfekt in Szene setzte. In einer Ecke stapelten sich ganze Paletten mit Joghurtbechern. Kein angenehmer Anblick, wenn man einen Magen hatte, der mit den Folgeschäden von Austern und Champagnerströmen kämpfte.
    »Vorsicht, Lulu«, raunte Philipp warnend. Sein Pferdeschwanz wippte nervös. »Dieser Mike ist schlecht drauf. Gerade hat er die ganze Truppe zusammengebrüllt. Ich hoffe, du bist fit und nicht ex. Das wird stressig heute, hundertpro.«
    »Gebrüllt. Hmm.«
    Lulu wurde es mulmig zumute. Nein, Mike hatte sich offensichtlich nicht beruhigt. Ganz und gar nicht. Sie packte ihr Equipment aus. Heute musste sie ein Profi sein. Mike war knallhart, und wenn er den Chef spielte, war sicher nicht mit ihm zu spaßen.
    In diesem Moment entdeckte sie ihn. Er sprach gerade mit einem sehr schlanken, sehr hübschen jungen Mädchen,das sich aufreizend in einem Sessel räkelte. Das musste das Model sein, das neue Gesicht für den »ultraleichten Gut-drauf-Snack«.
    Mit waidwundem Blick musterte Lulu das junge Mädchen. In weichen Wellen fiel ihr honigfarbenes Haar über die Schultern, und ihre Hot Pants ließen keinen Zweifel offen, dass sie blutjung, straff und vollkommen fettfrei war. Die beiden waren einige Meter entfernt, doch Lulu brauchte kein Teleobjektiv, um zu sehen, dass sie ungeniert flirteten.
    Plötzlich fühlte sie sich jämmerlich in ihrer Anglerweste und den alten Sneakers. Da sie nicht mal Zeit zum Fönen gehabt hatte, standen ihre Locken nach allen Seiten ab wie die Spiralfedern eines kaputten Sofas. Sie war nicht nur eine graue Maus, sie sah aus wie eine räudige Ratte, verglichen mit dem jungen

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