Den lass ich gleich an
rief er einem anderen Jungen zu, der sich lachend in den Sand warf.
Oma! So weit war es also schon. Na, dann gute Nacht, das Seniorenheim lässt grüßen. Benommen blinzelte Luluin die Sonne. War sie tatsächlich eingeschlafen? Nach dem Riesenhunger zu urteilen, der sich jetzt meldete, war sogar Nachmittag.
Lulu dehnte sich. Sie hatte nichts gefrühstückt, weil sie alle Hände voll zu tun gehabt hatte, in dem hektischen Gedrängel wenigstens etwas für Lotte zu ergattern. Nun knurrte ihr Magen. Vermutlich gab es drüben im Hotel ein Salatbuffet. Aber Lulu stand nicht der Sinn nach kalorienarmem Grünzeug. Ihr Körper lechzte nach Heißem und Fettigem.
In einiger Entfernung entdeckte sie eine Bretterbude, die mit Palmwedeln gedeckt war. Eine Traube Menschen hing davor, fettige Rauchschwaden zogen zum Himmel empor. Genau da wollte sie hin.
Etwas steif richtete sie sich auf und griff zu dem bunt gemusterten Pareo, den ihre Mutter ihr ausgeliehen hatte. Fest wickelte sie das Tuch um die Hüften. Man konnte ja nicht dauernd den Bauch einziehen. Andererseits besaß sie genügend Feingefühl, um den anderen Urlaubern ihren unverhüllten Anblick zu ersparen. Den Anblick einer Frau, die sich allabendlich den Single-Frust mit Schokolade und Keksen wegfutterte. Dann stapfte sie los.
Die Bretterbude war eine Offenbarung. Es gab Pommes, Hotdogs und Hamburger, die Luft war durchtränkt vom herrlichen Geruch des Frittenfetts, und Salatblätter gab es hier nur in Kombination mit weichen Brötchen und Buletten. Genial.
Lulu bestellte großzügig: zwei Cheeseburger, zwei Portionen Pommes frites und als Dessert einen Hotdog. Einbisschen übertrieben war das schon, aber sicher hielt man sie für eine treusorgende Gattin, die einen Prachtkerl von Mann und zwei Kinder füttern musste. Schwerbeladen trat sie den Rückweg zu ihrer Liege an.
Dann ging alles ganz schnell. Ein haariger Arm tauchte wie aus dem Nichts auf, die Pommes flogen in hohem Bogen in den Sand, der Hotdog und die Burger segelten hinterher.
»Nein!«, schrie Lulu auf. Bestimmt war das einer dieser unverschämten Teenager. Sie fuhr herum.
»Hey, du Grobmotoriker! Was soll d…«
Wie angewurzelt stand sie da und starrte den Mann an, der soeben ihr Essen vernichtet hatte. Sein Blick war voller Wärme. Voller Anteilnahme. Und voller Schuldbewusstsein. »Es tut mir so leid, ich hatte Sie gar nicht gesehen. Ist was passiert? Habe ich Ihnen weh getan?«
Es sprach. Was hatte es gesagt? In ihren Ohren dröhnte es. Vor ihr stand ein Mann. Der Traummann. Er war groß und breitschultrig, seine dunkelblonden Haare klebten feucht an den Schläfen, kleine Wassertröpfchen perlten über seine breite Brust. Sofort beneidete Lulu jedes einzelne der Tröpfchen. Dann wagte sie einen Blick in seine Augen. Grün. Alles klar. Sie war rettungslos verloren.
»Ist Ihnen nicht gut?«, fragte der Mann.
Seltsam, dass sie immer noch stand, obwohl die Erschütterung sie fast von den Füßen riss. Lulu hatte nie an Liebe auf den ersten Blick geglaubt. So etwas kam nur in den kitschigen Liebesfilmen ihrer DVD-Sammlung vor. Doch siespürte, dass sie sich gerade unwiderruflich in diesen Mann verliebte. Und das Schlimmste war: Sie konnte nichts dagegen tun.
»Ich … Wie? Ich glaube, das, ja, d-das war meine Sch-Schuld«, stammelte sie.
Was redete sie nur für einen Unsinn? Er hatte sie angerempelt, und zwar heftig. »Stimmt nicht«, widersprach der Mann. »Ich war mit den Gedanken woanders und habe Sie fast umgerannt.«
»Selbst wenn es so wäre – das macht doch nichts«, erwiderte Lulu heiser, während kleine rosa Herzchen vor ihren Augen tanzten.
»Ich habe Ihr Essen ruiniert.« Der Mann lächelte auf einmal wie ein Schuljunge, den man bei einem Streich ertappt hatte.
»Vielleicht sollte ich die Pommes ja gar nicht essen«, lächelte Lulu zurück. »Gesund sind die nicht gerade.«
Dann schwiegen sie. Täuschte sie sich, oder war der Typ genauso fasziniert wie sie? Aber das bildete sie sich bestimmt nur ein. Seit dem Abend mit Mike wusste sie, dass sie dazu neigte, einiges misszuverstehen. Sie konnte hier nicht stundenlang rumstehen und ihn anhimmeln. Die Situation wurde langsam peinlich. Bestimmt warteten schon Frau und Kind auf dieses Wunder.
»Tja, also dann gehe ich mal«, sagte sie.
Der Mann stemmte die Arme in die Hüften. »Moment, ich – ich revanchiere mich natürlich für die Pommes. Ich hole Ihnen eine neue Portion!«
Alles hätte Lulu sich jetzt vorstellen können,
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