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Den lass ich gleich an

Den lass ich gleich an

Titel: Den lass ich gleich an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Berg
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aber an essen war nicht länger zu denken. Sie hatte nicht mehr das kleinste bisschen Hunger. Ihr Herz klopfte hart gegen die Rippen, und ihr Magen war auf die Größe einer Kirsche geschrumpft.
    »Zu viel Hüftgold am helllichten Tag«, winkte sie ab. »Danke, dass Sie mich davor bewahrt haben.«
    Doch er ließ nicht locker. »Wie wäre es denn – mit einem Drink?«
    Lulu erschauerte. Dieses Wunder von einem Mann lud sie zu einem Drink ein? Sah er denn nicht, dass sie eine verhuschte graue Maus war, die keiner mochte? Besser, sie kürzte das Ganze ab, bevor sie weiter Feuer fing und sich Brandblasen auf der Seele holte.
    »Ich will Sie nicht aufhalten. Ihre Familie wartet bestimmt auf Sie.«
    »Meine Familie …« Der Mann zögerte. »Ach, nein, ich bin – ich bin allein hier.«
    Lulus Herzschlag setzte aus. »Was Sie nicht sagen …«
    »Aber Sie haben bestimmt Kind und Mann dabei«, sagte er. »Ist übrigens ein Glückspilz, Ihr Gatte.«
    Lulu zog den Pareo fester um die Hüften. Jetzt hätte sie Lotte erwähnen müssen. Doch sie hatte genug schlechte Erfahrungen gesammelt mit dem Stoppschild »alleinerziehende Mutter«. Hajo, Steffen, Jan-Friedrich, Ralf, alle hatten sie die Flucht ergriffen. Wenn sie jetzt schon von ihrer Tochter erzählte, war alles wieder vorbei, bevor es überhaupt angefangen hatte. »O nein, ich bin auch allein hier«,schwindelte sie drauflos. »Glücklicher Single, sozusagen. Ungebunden und kinderlos.«
    Verzeih mir, Lotte. Ich habe einfach Angst, dass der Traummann wieder verschwindet. Es ist nur eine kleine Notlüge, ja?
    »Na, dann würde ich einen Caipirinha vorschlagen. Alkoholfrei natürlich.«
    Lulu konnte es immer noch nicht glauben, dass dieser Mann so aufmerksam zu ihr war. Wieso bemerkte er nicht, dass er den absoluten Ladenhüter auf dem Beziehungsmarkt erwischt hatte?
    »Gern, sehr gern«, hörte sie sich sagen.
    War das Sand unter ihren Füßen? Nein, sie ging auf Zuckerwatte, als sie dem Wunder in Menschengestalt zur Imbissbude folgte. Auch von hinten war er ein bemerkenswerter Anblick, was man nun wirklich nicht über jeden Mann sagen konnte. Und das sollte noch keiner anderen Frau aufgefallen sein? Verstohlen rückte sie ihr Bikinioberteil zurecht und stellte fest, dass sie einen Sonnenbrand hatte. Wie konnte man nur am Strand einschlafen? Wie sah sie überhaupt aus? Hatte verlaufene Wimperntusche ihre Wangen schwarz gefärbt? Es wäre nicht das erste Mal. Unauffällig rieb sie sich das Gesicht mit dem Pareo ab.
    »So, bitte sehr, einmal Caipirinha ohne Sand und ohne Alkohol. Und entschuldigen Sie noch mal.« Er reichte ihr ein Glas. »Ich heiße übrigens Alex. Und Sie?«
    »Ich bin Lulu. Sie können ruhig du sagen. In diesen schrecklichen Familienhotels duzen sich ja sowieso alle.«
    Eine halbe Sekunde lang umwölkte sich die Stirn von Alex, dann erwiderte er: »Oh – ach so, ja, schrecklich. Überall Familien. Und überall schreiende Kinder. Ich meine – ich mag Kinder, solange sie einzeln vorkommen.«
    »Stimmt.«
    Verräterin!, schrie es in Lulu. Wie kannst du nur! Glücklicherweise war da noch die andere, weniger strenge Stimme. Lass ihr doch den Spaß. Lulu braucht mal eine Auszeit. Irgendwann kann sie immer noch sagen, dass sie Mutter ist.
    Alex hob sein Glas. »Auf Sie. Auf du. Nee, auf dich. Entschuldigung, du bringst mich ein bisschen aus der Fassung.«
    »Ist mir ein Vergnügen«, strahlte Lulu.
    Urlaubslektion Nummer sechs: Das Leben war wunderbar.

Kapitel 6
    Lotte konnte vor Müdigkeit kaum laufen, aber ihre Begeisterung war grenzenlos. Der Juniorclub schien das Kinderparadies schlechthin zu sein. Seit Lulu sie dort um kurz nach sechs Uhr abgeholt hatte, gab es kein anderes Thema.
    »Mami, ich möchte nie wieder weg hier«, sprudelte Lotte hervor. »Es war voll schön! Wir haben geschnorchelt! Und eine Schatzsuche gemacht! Ich war in einer Gruppe mit zwei Jungs, sie heißen Teddy und Freddy, und …«
    Lulu hatte einige Schwierigkeiten, sich auf die Neuigkeiten zu konzentrieren. Den ganzen Nachmittag hatte sie mit Alex verbracht. Sie hatten geredet, als ob sie sich seit Jahren kannten. Sie hatten gelacht und dann wieder verzückt den Wellen zugesehen. Ja, sogar schweigen konnten sie miteinander. Und nicht eine Sekunde war es langweilig oder peinlich gewesen.
    Die Vertrautheit zwischen ihnen hatte Lulu vollkommen überwältigt. Fast hätte sie sogar Lotte vergessen. Nur mit einem ungewohnt sportlichen Spurt hatte sie es geschafft, ihr Kind rechtzeitig

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