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Den lass ich gleich an

Den lass ich gleich an

Titel: Den lass ich gleich an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Berg
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Clownsfarbe bemalt wurde.
    »Ich hole sie dann zum Mittagessen ab«, sagte Lulu.
    »Oh, daraus wird nichts«, erwiderte eine der Betreuerinnen. »Sie können froh sein, wenn Sie Ihre Tochter beim Abendessen wiedersehen. Die Kinder fühlen sich superwohl bei uns.«
    Einen Mutter-Kind-Urlaub hatte Lulu sich eigentlich anders vorgestellt.
    »Na, da hat Lotte aber auch ein Wörtchen mitzu…«
    Lotte? Wo war Lotte? Weit entfernt sah Lulu einen dunklen Lockenkopf auf einem Klettergerüst herumturnen.
    »Ist normal«, lächelte die Betreuerin nachsichtig. »Die wollen hier gar nicht wieder weg, die Kiddies. Machen Sie sich einfach einen schönen Tag. Um sechs ist Abholzeit.«
    Sehnsüchtig sah Lulu in Lottes Richtung. Ich habe sie eben zur Selbständigkeit erzogen, dachte sie. Einigermaßen überrascht stellte sie fest, dass sie nicht wusste, was sie jetzt tun sollte. Ein gähnender Abgrund tat sich plötzlich vor ihr auf. Vierzehn einsame Tage am Strand, umgeben von glücklichen Paaren, die sich gegenseitig den Rücken eincremten, das musste die Hölle auf Erden sein.
    Urlaubslektion Nummer vier: Es war die Hölle auf Erden. Kurze Zeit später hockte Lulu auf einer Sonnenliege am Strand und fühlte sich trotz der vielen Leute ringsum mutterseelenallein. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie vergessen hatte, wie es ist, Zeit für sich zu haben. Seit acht Jahren drehte sich alles nur noch um Lotte. Sie hatte sich nichts mehr gegönnt. Kino, Theater, Treffen mit Freunden, all das war immer mehr der dauernden Hektik zum Opfer gefallen. Nie war es darum gegangen, was sie wollte. Sie hatte nicht mal ein Buch dabei, weil sie gar nicht auf die Idee gekommen war, dass ein ruhiger Moment dafür bleiben würde.
    Hatte sie überhaupt ihr Leben gelebt? Jetzt war sie sich nicht mehr sicher. Abgesehen von ihren Jobs hatte sie sich nur noch auf ihre Mutterrolle gestürzt, im permanenten Wettbewerb mit anderen Müttern. Welches Kind ist als Erstes trocken? Wer weiß am besten, wie man Kinder zum Schlafen bringt? Wer backt den besten Geburtstagskuchen, wer richtet die beste Kinderparty aus? Als alleinerziehende Mutter hatte sie den fatalen Ehrgeiz entwickelt, allen etwas beweisen zu müssen. Jetzt saß sie allein am Strand und wurde nicht gebraucht. Ein ernüchterndes Gefühl.
    Direkt vor ihr lag ein engumschlungenes Paar, daneben schlief ein Baby friedlich unter einem Sonnenschirm. Wieder und wieder streichelte der junge Vater seine Frau und flüsterte ihr zärtliche Dinge ins Ohr.
    Hättest du auch haben können, dachte Lulu. Wenn nur Bernd nicht so ein gefühlloser Mistkerl gewesen wäre. Ihre Gedanken wanderten zurück in jenes Schicksalsjahr, als Lottes zukünftiger Vater wie ein Hurrikan in ihr Leben gewirbelt war. Auf dem Fußballplatz, ausgerechnet.
    Eine Freundin hatte sie zu dem Spiel mitgenommen, und dann hatte er plötzlich vor ihr gestanden. Ein blonder Hüne mit einem Fanschal um den Hals, der auf einmal nur noch Interesse für Lulu zeigte. Alles war sehr schnell gegangen damals, viel zu schnell. Aber aus irgendeinem Grund war sich Lulu vollkommen sicher gewesen, dass er der Mann war, mit dem sie noch bei der Goldenen Hochzeit wilden Sex und gute Gespräche haben würde.
    Lotte war genau genommen ein Unfall gewesen, dennLulu vertrug die Pille nicht und hatte jeweils die fruchtbaren Tage bei der Verhütung ausgerechnet. Ein Mathegenie war sie nicht, und vielleicht hatte Mutter Natur ihr auch mehr fruchtbare Tage geschenkt als vorgesehen.
    Als sie Bernd eröffnete, dass sie bald zu dritt sein würden, hatte er sich betrunken. Als Lotte das Licht der Welt erblickte, feierte er mit seinen Fußballkumpels. Und als sie ihn fragte, wann sie denn nun heiraten würden, hatte er ihr erklärt, dass er nicht treu sein könne. Nach dem Streit, der anschließend losgebrochen war, hatte er wortlos den Fanschal und seine Kickersammlung zusammengepackt und war gegangen. Mit der Ansage, dass ihn der Geruch von Windeln und Babypuder anöde.
    Lulu schniefte verstohlen. Wenn du ihm seine Freiheiten gelassen hättest, wäre es vielleicht noch gutgegangen. Wenn du … wenn was? Im nächsten Augenblick war sie eingeschlafen.
    Zack! Der Ball traf Lulu mitten auf den Bauch. Er war groß, er war nass, und er machte ein klatschendes Geräusch, als sie mit einem Schmerzensschrei erwachte.
    »’tschuldigung!« Ein dunkelbraun getoasteter Teenager in Bermudashorts stand vor ihr, schnappte sich den Ball und rannte davon.
    »Du hast die Oma angeditscht«,

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