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Den lass ich gleich an

Den lass ich gleich an

Titel: Den lass ich gleich an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Berg
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herrschte ein Trubel wie beim Sommerschlussverkauf. Sprachlos betrachtete Lulu das Gedrängel und Gerempel ringsum. Verschlafene Familienväter in Adiletten schlurften mit vollbeladenen Tabletts durch den gekachelten Raum. Übereifrige Mütter räumten im Sekundentakt das Buffet ab, dazwischen wuselten Horden von Kindern herum. Der Geräuschpegel überschritt locker den Lärm eines startenden Düsenjets.
    Urlaubslektion Nummer zwei: Ein gemütliches Frühstück konnte sie knicken. Mit durchgedrücktem Rückendurchwanderte Lulu das Chaos und schaffte es tatsächlich, einen Tisch zu erobern.
    »Du bleibst hier«, befahl sie Lotte, »ich organisiere was zu essen!«
    Als sie mit einem hart erkämpften Rührei und einem Glas Orangensaft zurückkehrte, war Lotte nicht mehr allein. Ein älterer Herr mit grauem Fusselbart hatte sich zu ihr gesetzt. Stumm verdrückte er sein Frühstück, das aus einem Teller fetttriefender Rostbratwürstchen bestand.
    »Entschuldigen Sie bitte, das ist unser Tisch. Macht es Ihnen etwas aus, sich einen anderen Platz zu suchen?«, fragte Lulu höflich.
    Der Anblick von Bratwürstchen war das Letzte, was sie an diesem grauenhaften Morgen wollte. Ihr Magen rebellierte immer noch wegen der Sangria.
    Der Mann hob den Kopf. »Ja, das macht mir was aus«, erwiderte er seelenruhig. »Sie sind doch nur zu zweit, und Plätze sind hier knapp. Oder erwarten Sie etwa noch den Vater der Kleinen?«
    »Papa hat uns verlassen«, antwortete Lotte.
    Fusselbart grinste verschlagen. »So was Ähnliches hatte ich mir schon gedacht.«
    So eine Frechheit. Wie war der denn drauf? Wütend setzte sich Lulu an den Tisch und schob Lotte das Rührei hin. Nie hätte sie sich auf so ein blödes Familienhotel einlassen dürfen.
    »Mein Name ist Meyer, Meyer mit Ypsilon«, erklärte der Mann kauend. »Meine Frau liegt oben im Zimmer. Durchfall.Seit drei Tagen nimmt sie nur Tee und Zwieback zu sich. Der Süden hat eben seine Tücken.«
    Lulu hyperventilierte. Es war einer der Momente, in denen man dringend einen Mann brauchte. Nie hätte sich dieser Typ getraut, sich einfach an den Tisch zu setzen, wenn Lulu männlichen Schutz gehabt hätte. Was sollte sie jetzt tun? Warum hatte sie nie Karate gelernt?
    »Es fing mit Erbrechen an«, erzählte Fusselbart ungerührt weiter, »dann kamen das Fieber und der Schüttelfrost. Und heute der Ausschlag, lauter kleine rote Knötchen …«
    Lulu überlegte kurz, ob sie sich mit der Schilderung ihrer letzten Fußpilzattacke revanchieren sollte. Mit Rücksicht auf Lotte ließ sie es bleiben. Fusselbart biss währenddessen in sein drittes Würstchen. In seinem grauen Bart hingen Senfreste. Ein selten scheußlicher Anblick.
    Fasziniert starrte Lotte ihn an. »Ich habe neulich auch gespuckt, ganz doll sogar«, sagte sie. »Der ganze Pudding ist wieder rausgekommen, und meiner Oma ist auch ganz schlecht geworden! Hast du es schon mal mit Kamillentee probiert?«
    »Selbstverständlich. Also, was meine Frau betrifft …«
    Dieser Mann war ein wandelnder Fluch. Wenn Lulu nicht aufpasste, würde er sie vierzehn Tage lang mit seinen unappetitlichen Krankheitsgeschichten belästigen.
    »Stopp. Das reicht!«, rief sie. »Wir möchten gern in Ruhe frühstücken. Ohne Erbrechen, Durchfall und rote Knötchen. Entweder Sie gehen oder wir!«
    »Wir gehen!«, sagte Lotte fröhlich. »Ich bin nämlich schon fertig!« Stolz zeigte sie auf ihren leeren Teller.
    »Einen schönen Tag noch«, murmelte Fusselbart. »Und wenn Sie sich einsam fühlen, so ganz allein, ohne Mann, können wir uns gern wieder einmal unterhalten.«
    »Sie träumen wohl«, schnaubte Lulu.
    Urlaubslektion Nummer drei: Als alleinreisende Frau war sie Freiwild, jedem hilflos ausgeliefert, der sie zuquatschte.
    Lotte zerrte an ihrer Hand. »Darf ich jetzt auf die Wasserrutsche? Bitte, Mami!«
    Ab morgen wird auf dem Zimmer gefrühstückt, beschloss Lulu. Einmal noch Bartfusseln mit Senf am frühen Morgen, und ich bin reif für die Klinik.
    Sie gähnte. Den Tag ohne Kaffee zu beginnen war ungefähr so inspirierend wie eine doppelte Dosis Schlaftabletten. Doch Lotte konnte es nicht mehr erwarten, und so folgten sie den Schildern mit der Aufschrift »Juniorclub«, bis sie am Strand vor einem weitläufigen Spielplatz standen. Die Sonne schien vom wolkenlosen Himmel, ganz in der Nähe rollten die Wellen auf den Sand. Zwei schlanke, gebräunte Mädchen in Jeansshorts nahmen Lotte in Empfang. Begeistert hielt sie still, während ihr Gesicht mit

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