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Den lass ich gleich an

Den lass ich gleich an

Titel: Den lass ich gleich an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Berg
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Terrasse am Meer gesessen hätte, während leise Musik sie umschmeichelte.
    Was er wohl gerade tat? Saß er irgendwo an einer Bar und begutachtete einsame Touristinnen? So ein Zückerchen von Mann blieb doch nicht allein in einer lauen Sommernacht. Flammende Eifersucht stieg in Lulu hoch, ein Gefühl, das sie so wenig kannte wie die Sehnsucht, die sie auf einmal spürte.
    War es ein Fehler gewesen, ihm Lotte zu verschweigen? Morgen sag ich’s ihm, beschloss sie. Ganz bestimmt. Oder übermorgen. Himmel, und wenn er nun vorher abreiste?
    Im Gewimmel der tanzenden Kinder entdeckte sie Lotte, die sich selbstvergessen im Rhythmus der Musik bewegte. Einmal mit Alex tanzen. Sich an ihn schmiegen, seinen Duft einatmen, Wange an Wange, und dabei zärtliches Zeug flüstern. Ob es je dazu kommen würde?
    Wieder fiel ihr auf, dass die Welt hier im Hotel nur aus Paaren bestand. Glücklich wirkten sie allerdings nicht. Eher erschöpft. War es ein Naturgesetz, dass aus der himmelhoch jauchzenden Angelegenheit, die man Liebe nennt, irgendwann mausegrauer Alltag wurde?
    Lulu wusste es nicht. So etwas wie eine längere Beziehung hatte sie nie erlebt – gemeinsam aufwachen, gemeinsamfrühstücken und am Wochenende gemeinsam Toilettenpapier einkaufen. Nur einmal hatte sie es versucht, mit Keanu, einem Hippie, der sich als Straßenmusiker ein paar Euro verdiente. Sie waren beide achtzehn gewesen, soeben dem Elternhaus entkommen und völlig ahnungslos.
    Nach vier Wochen war das Experiment vorbei gewesen. Als Keanu eines Abends mit drei Groupies und vier Joints nach Hause gekommen war, hatte sie ihn rausgeworfen. Er hinterließ einen Turm leerer Pizzaschachteln, jede Menge Haare im Waschbecken und das sichere Gefühl, dass das Leben zu kurz war für Kompromisse.
    Wieder betrachtete Lulu die sonnengeröteten Gesichter ringsum. Nein, sehr verheißungsvoll sah das alles nicht aus. Aber mit Alex wäre das natürlich etwas ganz anderes, überlegte sie. Mit ihm wäre es sogar romantisch, gemeinsam den Müll runterzubringen.
    In diesem Moment steigerte sich die Musik zu einem Tusch. Die Animateure riefen »Buenas noches!«, und die Kinder fügten sich in ihr trauriges Schicksal, wieder zu den Eltern zurückzukehren. Auch Lotte bahnte sich einen Weg durch das Getümmel, zwei Jungs im Schlepptau.
    »Mami, das sind Teddy und Freddy!«, strahlte sie. »Meine Freunde aus dem Juniorclub! Dürfen wir noch ein bisschen an den Strand?«
    »Wir passen auch auf Lotte auf!«, sagte einer der beiden Jungen.
    Nette Kinder eigentlich, fand Lulu. Sie waren in Lottes Alter. Der ältere war strohblond, mit Sommersprossen, derjüngere eher dunkel, mit allerliebsten Grübchen. Sie trugen Piratenkopftücher, und im Kinderclub hatte man ihnen verwegene Bärte angemalt. Irgendwie kamen ihr die Jungen bekannt vor. Vermutlich hatte sie die beiden schon im Restaurant gesehen.
    Lulu spähte durch die Panoramafenster nach draußen zum Strand, über dem sich rot der Abendhimmel wölbte. Ein magisches Licht, wie sie mit dem Profiblick einer Fotografin feststellte.
    »Einverstanden«, sagte sie. »Aber bleibt nah beim Hotel. Ich hole nur meine Kamera, dann komme ich nach.«
    »Yippiiee!« Mit einem Freudengeheul rannten die drei davon.
    Es war lange her, dass Lulu nur so zum Spaß fotografiert hatte. Voller Vorfreude dachte sie an die Kamera, die sie mitgenommen hatte. In Gedanken suchte sie schon Motive. Irgendwann in diesem Leben würde sie nur noch fotografieren, was sie wollte. Nie wieder Scheuermilch, nie wieder Joghurt, nie wieder überirdisch junge, hübsche Models.
    Mike fiel ihr ein, und eine kleine Delle in der Magengrube sagte ihr, dass die Enttäuschung noch nicht ganz überwunden war. Also musste sie alles dafür tun, dass nicht gleich die nächste kam.
    Sie machte auf dem Absatz kehrt und ging zur Rezeption. Bevor sie nicht Gewissheit hatte, dass Alex woanders wohnte, würde sie keine ruhige Minute mehr haben. Schnurstracks marschierte sie auf den blonden Rezeptionisten zu, der gerade eine ältere Dame beschwichtigte.Lautstark beschwerte sie sich über ihr Zimmer und den allabendlichen Lärm.
    Sieh an, eine Leidensgenossin, dachte Lulu. Auch eine, die gemerkt hat, dass dieser Schuppen eine einzige Mogelpackung ist.
    »Wir sind ein Familienhotel«, fertigte der junge Mann die Dame ab. »Wenn du Ruhe willst, musst du woanders buchen.«
    Wutschnaubend fuchtelte sie mit dem Hotelprospekt in der Luft herum, während sie rief: »Ich verbitte mir das Du, Sie Flegel!

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