Den lass ich gleich an
wollte.
Es war kurz vor neun und fast dunkel, als endlich das Schloss an der Zimmertür klickte. Lotte hatte nicht die geringsten Schwierigkeiten, mit ihrer Schlüsselkarte umzugehen.
Sofort sprang Lulu vom Bett und lief zu ihr. »Hallo mein Schatz! Ich habe mir riesengroße Sorgen gemacht. Wo ist Oma? Warst du mit ihr essen?«
Lotte setzte sich auf die altrosa Couch und streckte alle viere von sich. »Du hast mich ja nicht abgeholt. Und da bin ich mit zu Teddy und Freddy in ihr Hotel gegangen.«
»Aber Oma wollte dich doch abholen?«, fragte Lulu.
»Na jaaa«, sagte Lotte gedehnt, »ich habe Oma schon gesehen … Aber dann dachte ich: Ist doch viel lustiger mit Teddy und Freddy. War’s dann auch.«
Lulu wurde es mulmig zumute. Sosehr sie Lottes neue Selbständigkeit auch freute, das ging ein bisschen zu weit. Und dass sie auch noch vor Gill ausgebüxt war, zeugte von einer ziemlich beängstigenden Raffinesse. Von wem hatte sie das nur?
»Das heißt, du bist ausgerissen«, stellte sie entgeistert fest. »Schätzchen, du hättest mir Bescheid sagen müssen. Die Eltern der Jungs haben sich bestimmt gewundert, dass du mutterseelenallein durch die Gegend spazierst.«
Lotte schmiegte sich eng an Lulu, die sich zu ihr gesetzthatte. »Nö, haben die nicht. Es war sowieso nur der Vater da. Und der sagte, das ist in Ordnung, wenn ich mit Teddy und Freddy esse. Stell dir vor, im Hotel von Teddy und Freddy gibt es auch eine Kinderdisco. Aber viel größer. Und mit einer echten Band!«
In diesem Moment klopfte es an der Tür. Lotte öffnete, und Gill stürmte herein, die ihre Enkelin umarmte, als wollte sie sie nie wieder loslassen.
»Kind, Kind, Kind«, schluchzte sie. »Ich habe dich überall gesucht! Wo warst du bloß?«
Lotte wand sich in ihren Armen, denn so viel körperliche Nähe zu Gill war ihr etwas unheimlich.
»Ooooma, lass los, ich bin ja da-ha!«
Widerstrebend ließ Gill von ihr ab und sah Lulu so schuldbewusst an, dass sie einem fast schon wieder leidtun konnte. Sie hatte es gut gemeint. Und genau das Falsche getan.
Lulu fand einfach keine Kraft mehr, ihr länger böse zu sein. »Komm her«, sagte sie lapidar. »Setz dich.«
Lotte flitzte ins Bad, und Gill sank mit einem untröstlichen Gesichtsausdruck auf die Couch.
»Ich habe mich ziemlich dumm angestellt, stimmt’s?«, sagte sie leise. »Und ich habe Lotte verpasst. Als Mutter und als Großmutter habe ich wohl komplett versagt …«
Lulu sah aus dem Fenster. »Ist jetzt auch egal. Ich bin eben ein Pechvogel.«
Gill warf ihrer Tochter einen zweifelnden Blick zu. »Das heißt – du verzeihst mir?«
Einen Augenblick kämpfte Lulu mit sich. »Ja, ich verzeihedir. Aber misch dich bitte nie wieder in mein Liebesleben ein, ja? Das macht mich ganz krank.«
»Bist du krank, Mama?«, fragte Lotte, die wieder ins Zimmer kam. »Hast du mich deshalb nicht abgeholt?«
Lulu tauschte einen kurzen Blick mit Gill. »Mama hat sich ein bisschen den Magen verdorben. Hab wohl was Schlechtes gegessen am Strand.«
»Du, Oma, Mama wäre heute fast ertrunken!«, erzählte Lotte aufgeregt. »Ein echter Rettungsschwimmer hat sie aus dem Wasser gezogen!«
Gill drückte ihren Rücken durch. »Zwei Dinge. Erstens: Nenn mich bitte nicht Oma. Zweitens: Wie ist denn das passiert?«
Ja, wie nur? Jäh kehrte die Erinnerung an den Kuss im Meer zurück. Lulu unterdrückte ein Schluchzen. Nie hätte sie gedacht, dass höchstes Glück und tiefstes Elend so nah beieinanderliegen könnten. Alex war vor etwas geflüchtet, so viel war klar. Doch wovor? Vor ihr? War er weiter gegangen, als er vorgehabt hatte? Wollte er sie loswerden? »Ach das, das war nur ein Wadenkrampf, nichts weiter«, schwindelte sie und wechselte schnell das Thema. »Wisst ihr, wer gleich ankommt? Sabrina!«
»Hurra!« Lotte hüpfte vom Sofa und tanzte ausgelassen durchs Zimmer. »Sabrina kommt, Sabrina kommt!«, jubelte sie.
Betreten sah Gill ihr zu. »Über mich hat sie sich noch nie so gefreut«, sagte sie leise.
Lulu zuckte die Achseln. »Es ist nie zu spät.« Sie seufzte tief. »Außer in der Liebe. Für mich ist die Uhr abgelaufen.«
Fünf Minuten später eroberten sie sich einen Tisch auf der gut gefüllten Terrasse. Es war noch dunkler geworden, nur über dem Meer leuchtete ein hellblauer Streifen am Horizont. Von der Stranddisco schallten Musik und Gelächter herüber, und zwischen den Tischen spielten Kinder, die heilfroh waren, dass sie noch nicht ins Bett mussten.
»Lulu!« Mit einem
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