Den lass ich gleich an
nicht im Geringsten für die Polonaise interessierten. Man hörte Geflüster und ab und zu ein leises Lachen. Lulu meinte sogar, das Schmatzen feuchter Küsse zu hören. Unwillkürlich verlangsamte sie ihren Schritt.
»Guck nicht hin, das hebst du dir für später auf, wenn unsere Geheimmission gelungen ist«, grummelte Sabrina. »Bisschen Tempo, wenn ich bitten darf.«
Lulu hatte Mühe, ihr zu folgen. Sie fühlte sich leer und kraftlos wie ein Akku, den man vergessen hatte aufzuladen. Sabrina jedoch schritt kräftig aus und schien den Spaziergang sogar zu genießen. Linker Hand brandeten die Wellen an den Strand, zur Rechten wölbten sich Pinien über die Strandpromenade. Im Zickzack arbeiteten sie sich durch die Reihen der leeren Liegestühle.
Plötzlich blieb Lulu stehen. »Hier, sieh mal«, stieß sie hervor.
Im schwachen Schein der Strandbeleuchtung hatte sie die Rose entdeckt, die noch immer in der Wasserflasche steckte. Die Rose von Alex. Ihr war zum Heulen zumute.
Sabrina zog die Rose heraus, schnupperte daran und musterte sie fachmännisch. »Tja, als professionelle Floristin kann ich dir eine kleine Expertise geben: Baccara gefüllt, tiefstes Rot, beste Züchtung, voller Duft. Vermutlich aus Bolivien eingeflogen. So ein Ding kostet in Deutschland gut und gern zehn Euro, hier in Spanien sicher wesentlich mehr.«
»Und was bedeutet das?«
»Dass es ihn voll aus der Kurve getragen hat. Er hätte auch eine Tankstellenrose für zwei Euro nehmen können. Doch er wollte etwas Besonderes. Et voilà!« Sie steckte die Rose zurück in die Flasche. »Der Mann ist so kostbar wie diese Blume.«
»Und hält wie die Rose maximal zwei Tage«, sagte Lulu. »Ist es nicht ziemlich sinnlos, dass wir hier herumirren? Ichmeine, wenn ihm etwas an mir liegt, sucht er mich doch vielleicht morgen am Strand, oder?«
»So lange willst du warten?« Ungeduldig schnippte Sabrina mit den Fingern. »Mehr Einsatz, bitte! Man könnte meinen , ich hätte meinen Traummann verloren! Nun sei nicht so antriebsschwach, beeil dich lieber!«
Lulu hastete hinter ihrer Freundin her, die erneut ein strammes Tempo vorlegte. »Was hast du eigentlich genau vor?«
»Ihm auf den Zahn fühlen. Ich habe sein Foto, ich bin eine Frau, und ich werde ihn eins, zwei, drei ansprechen, sobald ich ihn gefunden habe.«
Offenbar schreckte Sabrina vor nichts zurück. Lulu wusste nicht, was sie sich eigentlich vorgestellt hatte. Aber eine kriminalistische Untersuchung sah in ihren Phantasien etwas anders aus: versteckte Kameras, getarnte Mikrophone und heimlich geschossene Fotos. Sie bekam hektische Flecken allein schon bei dem Gedanken, dass Sabrina mit Alex reden könnte. Und dabei womöglich »ihre Freundin Lulu« erwähnte.
»Moment, wie – was willst du ihm denn sagen?«, fragte sie außer Atem.
»Ich würde es verdeckte Ermittlung nennen«, erwiderte Sabrina. »Ein unverbindliches Gespräch über den Urlaub, ein kurzer Statuscheck. Und dann könnte die lange, traurige Geschichte über meine Freundin kommen, die zum Opfer eines furchtbaren Missverständnisses wurde.«
»Das wird ihn umstimmen?«, fragte Lulu zweifelnd.
Sabrina ließ sich nicht mal ansatzweise aus dem Konzept bringen. »Wenn ich die Story erzähle – ja.«
Mittlerweile waren sie fast an dem Hotel angelangt. Es war ein mehrstöckiger, etwas altmodischer Bau mit dem Charme eines traditionellen Grandhotels. Genau die Sorte Hotel, die Lulu liebte. Stuckaturen verzierten die Fassade, über den Balkons hingen gestreifte Markisen. Der Park, der zum Wasser hin lag, war mit unzähligen Lämpchen illuminiert.
Mit einem Satz sprang Sabrina über einen weißgestrichenen Holzzaun, dann hielt sie Lulu die Hand hin, die ächzend darüberkletterte und sich schwor, demnächst ein Fitnessstudio aufzusuchen.
Der Park war wunderschön. Azaleenbeete wechselten sich mit Oleanderbüschen und blühenden Magnolien ab, überall standen schmiedeeiserne Bänke in efeuumrankten Lauben. Livrierte Kellner eilten umher und servierten Cocktails und Champagner.
Keine Frage, das Hotel war deutlich luxuriöser als Lulus. Doch auch hier legte man offenbar Wert auf Familien. Überall waren Kinder. Manche spielten Fangen oder Fußball, andere hatten Federballschläger in der Hand. Sabrina wich geschickt einer heranfliegenden Frisbeescheibe aus.
»Du, ich glaube, das ist das falsche Hotel«, flüsterte Lulu. »Alex findet Familienhotels grässlich.«
»Abwarten«, war Sabrinas einziger Kommentar.
Sie überlegte
Weitere Kostenlose Bücher