Den lass ich gleich an
Das war alles. Daraufhin hat Herr Müller-Behrendt alle Sunny BeachClubs der Insel abgeklappert. Ist das nicht umwerfend, dass er sich so viel Mühe für dich gegeben hat?«
Die Welt schwankte. Nein, Lulu schwankte. Der Barhocker schien auf einmal aus Gummi zu sein.
»Das ist nicht umwerfend«, widersprach sie. »Das ist hinterhältig und gemein. Mike hat eine Werbeagentur. Er will, dass ich meinen Urlaub abbreche und für ihn arbeite. Nebenbei hat er auch noch den Mann meines Lebens ins Aus gekickt. Den hatte ich gerade gestern erst kennengelernt. Glückwunsch, das ist dir ja bestens gelungen.«
Gill wurde bleich. Ihre gute Laune wich größter Bestürzung. Sie schlug die Hände vors Gesicht. »O nein, was habe ich getan?«
Lulu rutschte vom Barhocker, landete etwas wackelig auf ihren Füßen und konnte nur mit Mühe die Balance halten. »Ich geh jetzt aufs Zimmer. Und da bleibe ich bis heute Abend. Bitte hol Lotte um sechs im Juniorclub ab und geh mit ihr essen. Vor allem aber tu mir den Gefallen und lass mich jetzt bitte in Ruhe. Sonst schreie ich.«
Ihr Pareo war verrutscht, ihre Sonnenbrille hing schief auf der Nase, und ihre Füße versanken im Boden, der sich ebenfalls in Gummi verwandelt hatte. Doch was machte das schon? Sie war am Limit. Mehr ertrug sie nicht.
Nun war es Gill, die einen Schnaps brauchte. »Einen Wodka«, rief sie und schnippte nach dem Barmann. »Und zwar einen doppelten!«
Der Mann hinter dem Tresen schenkte ihr ein Glas ein. »Vorsicht«, warnte er, »ist heiß heute.«
Gill verscheuchte ihn mit einer unwilligen Handbewegung. Kopfschüttelnd wandte sich der Kellner ab, während er Lulu und Gill mit einem mitleidigen Blick streifte. Lulu konnte förmlich seine Gedanken lesen: Um Himmels willen, die armen deutschen Frauen haben keinen Mann, und deshalb begießen sie sich den lieben langen Tag lang die Mütze. Und hatte er am Ende nicht recht?
Mit geschlossenen Augen trank Gill ihr Glas leer, dann vergrub sie ihr Gesicht wieder in den Händen. »Kannst du mir noch mal verzeihen?«, schniefte sie. »Lulu?«
Aber Lulu war bereits auf dem Weg zum Aufzug. Schluchzend schleppte sie sich bis aufs Zimmer, zog die Vorhänge zu und warf sich aufs Bett. Alles stürzte in sich zusammen. Enttäuschung reihte sich an Enttäuschung, und wenn sie ihre wenigen Gelegenheiten nicht selbst vermasselte, taten es andere für sie. Fest presste sie ihr Gesicht ins Kissen, während ein Weinkrampf sie schüttelte.
Alex. Wunderbarer Alex. Wo bist du? Verzeih mir. Gib mir noch eine Chance, flehte sie stumm. Aber welcher Mann würde das tun? Wie elend er sich fühlen musste, nachdem Mike ihn behandelt hatte wie einen Gigolo. Und sie hatte nicht mal seine Handynummer. Sie hatte keine Ahnung, wo er wohnte. Sie wusste seinen Nachnamen nicht. Sie hatte ihn verloren.
Lulu schluchzte so laut, dass sie nicht auf das Piepsen in ihrer Strandtasche achtete.Eine Stunde später hatte sie sich so weit beruhigt, dass sie ihre Umwelt wieder wahrnahm. Fahrig langte sie zu ihrem Handy und öffnete die SMS.
Fliege gleich los. Alles wird gut. Um neun an der Bar. Freu mich auf Dich. Sabrina.
Kapitel 9
Es war gar nicht so leicht, die Verwüstungen dieses Katastrophentages zu beseitigen. Lulu hatte geduscht und ihr verheultes Gesicht mit Eiswürfeln gekühlt. Ihre Augen waren aber immer noch gerötet, und der Wodka setzte ihrem Magen heftig zu. Doch sie hatte es immerhin geschafft, sich in einen vorzeigbaren Zustand zu bringen.
Das alles tat sie nur für Lotte. Für wen sonst? Für Lotte, ihr Ein und Alles. Im Grunde wäre Lulu am liebsten abgereist und hätte sich in ihrer Wohnung versteckt wie ein verletzter Bär in seiner Höhle. Doch was hätte Lotte dazu gesagt? Nein, sie musste durchhalten, für Lotte.
Wo blieb sie eigentlich? Lulu wurde nervös. Immer wieder sah sie zur Uhr. Wo war ihr Kind? Warum hatte sie es allein gelassen?
Andererseits war auf Gill Verlass. So kühl sie auch als Großmutter wirkte, Termine einzuhalten war ihre Stärke. Vermutlich beaufsichtigte sie soeben das junge Glück, das Lotte mit Teddy und Freddy teilte.
Eine Weile wartete Lulu auf dem Balkon, dann ging sie in das Wohnzimmer und stellte den Fernseher an. Sie verstand nicht ein Wort von dem, was da lief, obwohl es allesamt deutsche Programme waren. Als ein Werbespot fürScheuermilch über den Bildschirm flackerte, schaltete Lulu den Fernseher entnervt aus. Ausgerechnet Fit & Ex. Das war das Letzte, woran sie jetzt erinnert werden
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