Den lass ich gleich an
steingraue Häuser duckten sich zwischen die schroffen Felswände. Touristen gab es hier oben nicht. Nur ein paar gebeugte Gestalten, die Körbe mit Obst schleppten.
Das Festessen in der Finca fiel Lulu wieder ein. Die ansteckende Feierlaune der Mallorquiner. Der Akkordeonspieler. Wie unbeschwert war das gewesen. Vorbei. Wie so vieles andere, was der Urlaub ihr beschert hatte.
Nach etwa einer Stunde hielt der Wagen vor einem uralten Haus aus Felsgestein, an dem ein Schild mit aufgemalten Trauben hing. Als Lulu ausstieg, bemerkte sie, wie kalt es hier in den Bergen war. Sie trug nur eine Jeans und ein schwarzes T-Shirt mit dem Aufdruck »Rock around the clock«, dabei hätte sie einen Skianzug gebrauchen können. Vor Kälte schlotternd, pochte sie an die verwitterte Holztür.
»Ah, da sind Sie ja!« Es war Karl Petersen, der ihr öffnete. Er umarmte sie überschwänglich. Vielleicht ein wenig zu überschwänglich. »Du liebe Güte, Sie haben ja ganz blaue Lippen!«
Er zog sein schwarzes Jackett aus und hängte es Lulu um. Dann führte er sie in ein höhlenartiges Gewölbe, das nur von Kerzenlicht erhellt wurde. Riesige, dickbauchige Holzfässer standen aufgereiht an den feuchten Wänden, darüber hingen Spinnweben. »Bisschen spuky hier«, sagte Lulu beklommen.
»Pittoresk, so würde ich es formulieren. Die Alchimistenküche der Winzerkunst. Das Herz der Traube. Spüren Sie die Magie?«
Lulu spürte zweierlei. Zum einen, dass ihr immer noch hundekalt war. Und zum anderen, dass sie ganz allein war mit Petersen. Ob das Absicht war?
»Wo sind denn die anderen?«, fragte sie.
»Ihr Assistent wird in einer halben Stunde hier sein, er hat gerade angerufen. Und Sam besorgt noch einen kleinen Imbiss im Dorf.« Petersen deutete auf einen runden Holztisch. »Wollen wir uns nicht setzen? Ein Glas Wein?«
»Ein Kaffee wäre mir lieber.« Widerstrebend nahm Lulu Platz.
Das Ganze war ihr unheimlich. Was hatte Petersen vor?
Blitzschnell sortierte sie ihre Verteidigungswaffen. Viel war es nicht. Aber ein beherzter Schlag mit der Kamera würde seine Wirkung nicht verfehlen, falls Petersen einen Annäherungsversuch machte.
Er goss sich in aller Seelenruhe ein Glas Wein ein und schnupperte genießerisch daran. »Man nennt ihn ›Die Seele der Sonne‹. Phantastisch, oder?«
Lulu begann mit dem Fuß zu wippen. Allmählich wurde sie wirklich nervös. »Ich sollte besser auf Motivsuche gehen«, sagte sie. »Dann geht es nachher schneller.«
»Halt, halt, nicht so eilig. Ich würde vorher gern etwas mit Ihnen besprechen. Darf ich mal?«
Petersen langte in das Jackett, das Lulu trug. In die Innentasche, genauer gesagt. Sie zuckte zusammen, als seineHand ihr T-Shirt streifte. Reflexartig umkrallten ihre Finger die Kamera.
»Wissen Sie Lulu – ich darf doch Lulu sagen? Nennen Sie mich einfach Karl. Wir werden uns in Zukunft ohnehin näherkommen.«
Das war genug. Lulu sprang auf.
»Nein, wir werden uns ganz bestimmt nicht näherkommen!«, rief sie. »Und falls Sie es auch nur versuchen, ziehe ich Ihnen meine Kamera über den Schädel!«
Eine Schrecksekunde lang verharrte Karl Petersen unbeweglich wie eine Statue, dann brach er in Lachen aus. »Sie sind einmalig, wirklich!«
Lulu wurde immer wütender. Dieser Typ war auch nicht besser als Mike. Die steckten am Ende unter einer Decke!
»So setzen Sie sich doch bitte wieder.« Karl Petersen betrachtete sein Weinglas, das im Kerzenlicht schimmerte. »Ich wollte Ihnen ein Angebot machen. Aber kein unmoralisches. Im Übrigen bin ich in festen Händen. Sam Haller ist nicht nur beruflich mein Partner.«
Wie war das? Lulu ließ die Kamera sinken. Na toll. Erster Preis für Begriffsstutzigkeit. Sie hatte sich komplett unmöglich gemacht.
»’tschuldigung«, flüsterte sie. »Manchmal bin ich aber auch so was von dämlich.«
»Kein Problem«, lächelte Petersen. »Letztlich ehrt es Sie doch, dass Sie sich nicht auf Männer einlassen, mit denen Sie arbeiten.«
»So kann man es natürlich auch sehen«, sagte Lulu. Sielegte ihre Kamera auf den Tisch und nahm wieder Platz. »Und was für ein Angebot wollten Sie mir machen?«
Karl Petersen trank einen Schluck Wein. »In der Innentasche des Jacketts befindet sich ein Kuvert. Wenn Sie die Freundlichkeit hätten, es mir zu geben?«
Verlegen zog Lulu einen hellblauen Briefumschlag aus dem Jackett und gab ihn Petersen. Der öffnete den Umschlag und holte ein engbeschriebenes, zusammengefaltetes Blatt Papier heraus. Er entfaltete es
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