Den letzten beissen die WerWölfe
Mathias-Wilms-Straße in Roetgen einen steilen Berg hinauf. Als der Journalist, der im Traum nur mit einer Turnhose, einem Doppelrippfeinripp-Unterhemd und einer schottischen Polizeikappe bekleidet war, zum Ende der Straße blickte, spielte das Orchester Martin Böttcher die »Winnetou-kommt-über-den Hügel«-Melodie, allerdings GEMA-frei, da es sich um einen Traum handelte. Doch statt Winnetou kam Gottfried Zimmermann über die Anhöhe, bekleidet mit einem schwarzen Kutschermantel und mit einer fast zwei Meter langen Flinte in der Hand. Ein Leichenwagen schwebte an einem Fesselballon heran und wurde von einer Gruppe glatzköpfiger Neo-Nazis mit Steinschleudern beschossen. Zimmermann lud seinen Bärentöter durch und feuerte mehrmals in die Luft. Die Neo-Nazis verwandelten sich in Gartenzwerge und verteilten sich in die Vorgärten der angrenzenden Häuser. Der Traum endete mit »Hill Billy Tilly« aus »Der Schatz im Silbersee« – ebenfalls von Martin Böttcher und ebenfalls GEMA-frei.
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04.15 Uhr
In Roetgen heulten die Sirenen, Funkmeldeempfänger rissen Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr aus dem Schlaf. Die Leitstelle im Katastrophenschutzzentrum Simmerath hatte Alarm ausgelöst, nachdem ein Anrufer »Feuer in dem Mordhaus an der Roetgener Mathias-Wilms-Straße« gemeldet hatte. Da sich die Feuerwache nur wenige Hundert Meter vom Brandort befindet, waren die Roetgener Wehrleute schnell vor Ort, nur kurze Zeit später traf auch ein Wagen aus Rott ein.
Der Einsatzleiter hatte sofort erkannt, dass in dem Haus in mehreren Zimmern ein Feuerschein zu sehen war. Vier Männer mit Atemschutz drangen mit C-Rohren über die Gartenterrasse von hinten in das Gebäude ein, während vorne mehrere Wehrleute die Haustür aufbrachen und ebenfalls mit weiteren C-Rohren dem Feuer zu Leibe rückten. Dass die Haustür von der Kripo versiegelt war, musste die Männer nicht wirklich interessieren.
Hermann Cremer, Polizeihauptwachtmeister aus Monschau, traf mit seiner jungen Kollegin Claudia Raschke, Polizeimeisteranwärterin, erst zwanzig Minuten später ein, da er mit dem einzigen Streifenwagen, der in dieser Nacht in der Eifel unterwegs war, aus Rurberg kam. Wenig später hatte die Wehr das Feuer unter Kontrolle. Jürgen Linzenich, Gemeindebrandinspektor und Wehrführer, kam zu den beiden Polizisten und erstattete einen kurzen Bericht:
»Mehrere Glutnester aus getrocknetem Holz in zwei Räumen. An der Rückfront des Hauses ist eine Scheibe eingeschlagen und ein Fenster geöffnet worden. Innen alles durchwühlt. Meine Meinung: Klar Brandstiftung. Das ist das Haus, in dem gestern der Mord passiert ist.«
Hermann Cremer pfiff durch die Zähne:
»Ich hatte gestern meinen freien Tag. Das Haus ist das? Dann muss sofort die Kripo raus!«
Er wandte sich an die junge Polizistin:
»Ruf mal die Zentrale an, die sollen den Zimmermann wecken, das ist unser Monschauer Kripo-Kommissar, kennst du noch nicht. Ich wecke den nicht gerne, der flucht immer wie ein Rohrspatz. Das kann ich im Nachtdienst nicht brauchen. Und die Aachener sollen auch sofort die Spusi schicken.«
Während die junge Polizistin im Wagen mehrere Gespräche führte, streuten die Wehrleute Salz um das Haus, da wegen des Nachtfrostes das abfließende Löschwasser sofort gefror. Die meisten Wehrleute konnten gegen 5.30 Uhr die Einsatzstelle verlassen – vier Männer blieben als Brandwache vor Ort.
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05.00 Uhr
Die Zeitungsboten in der Eifel verteilten an diesem Morgen die Eifeler Lokalausgaben mit einem Artikel auf der ersten Seite:
Noch keine Festnahme nach Mord an 92-Jährigem
Roetgen. Nach dem gewaltsamen Tod eines 92-jährigen Mannes in Roetgen haben die Ermittler noch keinen Verdächtigen festgenommen. »Wir werten eine Reihe von Spuren aus«, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Dienstag.
Die Leiche des alleinstehenden Witwers war am frühen Dienstagmorgen vor seinem Einfamilienhaus in dem beschaulichen Eifelort nahe Aachen gefunden worden. »Eindeutige Spuren«, so der Sprecher, ergaben, dass der
92-jährige Opfer eines Verbrechens wurde. Nähere Angaben wollte der Behördensprecher nicht machen.
Von dem Brand konnte logischerweise noch nichts in der Zeitung stehen. Den meldeten nach 6 Uhr erst die diversen Lokalradios – nachdem bei einer Station eine dynamische Frauenstimme »100 Prozent von hier – das Neueste aus der Aachener Städteregion und noch viel weiter« verkündet hatte:
Brand in Mordhaus
In einem Einfamilienhaus in Roetgen,
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