Den letzten beissen die WerWölfe
von Eddy hatte wohl geahnt, dass es kein gutes Ende mit ihr nehmen würde. Auf jeden Fall gab es einen Umschlag bei dem Anwalt, und den sollte Ilse an ihrem 21. Geburtstag erhalten. Das wäre 1979 gewesen. Doch der Anwalt starb, der Umschlag geriet in Vergessenheit und wurde erst vor ein paar Wochen entdeckt, als der Sohn des Anwalts, auch Anwalt, mit seiner Kanzlei umzog.
»Wie heißt der Anwalt?«, frage Nusselein.
»Das ist Dr. Karrenbrock, der Sohn«, erklärte Eddy nun wieder.
»Und was war in dem Umschlag drin?«
»Das hat sie so genau nicht gesagt. Muss wohl irgendwie doch was mit einem Erbe zu tun gehabt haben, denn sie hat nur gesagt: Jetzt hat meine Mutter mir doch noch etwas Gutes im Leben getan. Die konnte sich kaum an die erinnern, war wohl bei dem Mord so um die fünf Jahre alt. Und sie sagte noch: Um das Erbe zu bekommen, muss ich aber noch jemand in der Nordeifel besuchen.«
»Und was macht Ilse heute?«, forschte Nusselein weiter nach.
»Kollegin von dir. Arbeitet bei ›Reuters‹ in London, macht wohl so Wirtschafts- und Börsenkram. Der Mann ist irgendwie Professor, kommt nur am Wochenende nach London. Aber sag mal, was ist plötzlich so interessant an meiner wilden Tante aus den Sechzigern?«
Nusselein erzählte ausführlich die Ereignisse der letzten Tage, ließ auch nichts weg und beschönigte nur wenig, da er die beiden Pronsfelder einfach sympathisch fand. Als er fertig war, fragte Gaby:
»Glaubst du, dass Ilse etwas mit dem Mord und den anderen Sachen zu tun hat?«
Nusselein schüttelte den Kopf:
»Wenn ich all das gemacht hätte, dann auch noch weit weg vom Schuss in London leben würde, dann würde ich mir mein Alibi doch nicht durch Verwandtenbesuche versauen.«
Gaby und Eddy nickten und Eddy ging an den Küchenschrank:
»Weißt du was? Ich gebe dir einfach die Adresse. Dann kannst du sie ja selbst fragen. Die ist nämlich wieder nach England zurück.«
Eddy Lamberty gab Nusselein einen Zettel:
Ilse Warburton
68A Rowley Way
NW8 0SH London
0044-20-27263684.
Nusselein bedankte sich, dann redete er mit den beiden noch über dieses und jenes, vor allen Dingen aber über jenes, ehe er sich verabschiedete:
»Ihr habt mir sehr geholfen!«
»Melde dich doch mal, wenn was rausgekommen ist«, sagte Gaby.
Nusselein versprach es und war fest überzeugt, dass er dieses Versprechen sogar halten würde. Zum Abschied gab er den beiden sogar seine Handynummer:
»Ihr könnt mich Tag und Nacht anrufen, falls euch was einfallen sollte.«
***
18.00 Uhr
Die Wunde trocknete langsam. Incitatus öffnete vorsichtig das darunter liegende Auge. Er konnte noch alles erkennen: Bettdecke, Korbsessel, Küchentisch, Katzenschüsselchen. Kurz überlegte der Kater, ob er einen neuen Angriff auf die Elstern-Brut starten sollte. Der geschundene Körper sagte »Nein«, der Kopf schloss sich dieser Meinung an. Also schlief der Kater bald wieder ein: Von diesem verdammten Menschen war immer noch nichts zu hören und zu sehen.
***
18. 15 Uhr
Charly Nusselein steuerte den Norden an, den Norden der Eifel wohlbemerkt. Hinter Prüm rief er Gottfried Zimmermann auf dessen Handy an. Der Kommissar war bereits zu Hause, genauer gesagt: in der Gaststube des »Schwarzen Krug«, wo seine Frau gerade die Reste eines zerpflückten Brotes beseitigte, dass eine niederländische Familie, die viermal die Tagessuppe zu 2,50 Euro bestellte, hinterlassen hatte. Zimmermann meldete sich schroff:
»Na, endlich, wurde auch Zeit. Warste wieder im Pearls?«
»Weiß ich gar nicht, was das ist«, schnauzte Nusselein zurück und nahm dann eine Stimmlage an, die er glaubte, in einem Bergfilm mit Förstersennerinnen-Drama gehört zu haben:
»Du, wir müssen miteinander reden!«
»Welche Meise hast du jetzt?«, fragte der Kommissar. »Wo bist du überhaupt?«
»Gleich Höhe Schwarzer Mann!«, antwortete Nusselein wieder in einer normalen Stimmlage.
»Gut, dann bin ich in einer Stunde in Ruitzhof.«
»Die Polizei dein Freund und Verführer zum Rasen«, beendete Nusselein das Gespräch und ärgerte sich immer noch, dass er die gut aussehende Tramperin an der Feuerwache in Prüm nicht mitnehmen konnte, weil er kurz vorher in seinen Mazda gefurzt hatte.
***
19.15 Uhr
Als Incitatus den großen Staubsauger den Berg nach Ruitzhof hochknattern hörte, sprang er schnell aus dem Bett und kauerte sich in einer dramatischen Haltung neben die Katzenklappe. Dabei legte er größten Wert darauf, dass seine Verletzung am Auge ins Auge
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