Den letzten beißt das Schwein
horchte ich ihn nach seinem Alibi für die Tatnacht aus. Überraschenderweise hatte der Pferdeknecht tief und fest geschlafen; er bewohnte ein Zwei-Zimmer-Appartement über dem Stall.
Mehr fiel mir im Moment nicht ein, sodass er mit der Ausmisterei fortfahren konnte.
Flugs zurück ins Büro und den Schreibtisch aufgeräumt, dann war endlich Feierabend. Die Kuh an der Wand mit den beiden Zeigern auf dem Euter zeigte Viertel nach neun.
Im Wohnzimmer entdeckte ich Emily, Günter und Lisa, die in eine Scrabble-Partie versunken waren.
»Hallo, Dieter.« Lisa drückte mir einen Kuss auf die Wange. »Gibt’s was Neues?«
»Bin noch mitten in den Ermittlungen, ist ein ziemlich verworrener Fall. Du bist schon wieder auf den Beinen?«, wandte ich mich an Günter, bevor wir tiefer in die nicht vorhandenen Erfolge eines schnüffelnden Buchhalters eintauchten.
»Sicher, das Leben geht schließlich weiter.« Er hatte seine Wehleidigkeitsphase wohl endlich überstanden.
»Wo soll ich schlafen?« So langsam machte sich der stressige Tag bemerkbar.
»Im Gästezimmer neben unserem Schlafzimmer. Ich habe schon alles herrichten lassen.« Emily legte ein ziemlich langes Wort auf das Spielbrett, das orthografische Kreativität bewies.
»Ich warte noch, bis du im Bett bist, Günter, dann hau ich mich in die Falle. Schließ das Schlafzimmer auf jeden Fall von innen ab.« Vorsicht war immer noch die Mutter der Porzellankiste.
»Ich nächtige heute in der Kammer neben der Küche.« Emily notierte sich die Punkte für »Moddelagenthur« auf ihrem Zettel. »Bärchen hat Angst, dass ich im Schlaf auf seinen verletzten Arm rolle. Ich kann nämlich nachts richtig wild sein.« Als sie sich unbeobachtet glaubte, zwinkerte sie mir zu. Dabei hatte Günter alles mitbekommen, wie ich an seinem verkniffenen Gesichtsausdruck erkennen konnte.
Eine Scrabble-Partie später — ich hatte mich zum Mitmachen breitschlagen lassen — war Zapfenstreich. Als Emily in Richtung Kämmerlein und Lisa Richtung Schweinestallwohnung verschwunden waren, brachte ich Günter zu Bett und kontrollierte, dass die Tür abgeschlossen war.
Dann wurde es ruhig auf dem Hagenhof.
Mitten in der Nacht wachte ich auf. Hatte ich da ein Geräusch gehört? Ich lauschte angestrengt, vernahm aber nur Rexforths gleichmäßiges Schnarchen von nebenan.
Egal, da ich sowieso wach war, konnte ich auch nach dem Rechten sehen. Lautlos kleidete ich mich an und machte einen Rundgang durchs Haus. Günters Tür war verschlossen, gut so.
Ab zu Emilys Hucke. Die Tür war nur angelehnt, sodass ich sie geräuschlos öffnen konnte. Zerwühltes Laken, der Hauch ihres Parfüms in der Luft, aber keine Emily.
Nachdem ich die restlichen Räume des Haupthauses gecheckt hatte — von der Grande Dame fehlte weiterhin jede Spur —, fand ich mich auf dem Hof wieder. Pferde- oder Schweinestall? Da die Kaninchen im Pferdestall untergebracht waren, fiel die Entscheidung leicht.
Und richtig, leise Geräusche drangen an mein Ohr, als ich durch den Nebeneingang in die Stallungen schlüpfte. »Wieder eine Kerbe im Stock der gelösten Fälle«, brabbelte ich unhörbar vor mich hin, während ich mich an den Karnickelverschlag heranschlich.
Die verdächtigen Geräusche wurden immer lauter, meine innere Spannung stieg.
»Doch keine Kerbe«, dachte ich, als ich die Laute endlich zuordnen konnte. Nein, es waren weder quiekende Langohren, denen gerade das Fell über die Ohren gezogen wurde, noch ein Kampf auf Leben und Tod, den sich der Killer mit seinem Opfer lieferte: Es handelte sich schlicht und ergreifend um die Tonspur eines Pornostreifens. Ein geschmeidiges »Ja, Schatz« hier, ein brünstiges »Du bist so geil« dort. Heidewitzka!
Noch bevor ich die Hauptdarsteller visuell orten konnte, wusste ich, wer sich da in einer Pferdebox vergnügte: die gute Emily und der Pferdeflüsterer. Ich zückte mein vorsorglich eingestecktes Handy, lugte um die Ecke, wählte die Fotofunktion aus und drückte ab. Ein Beweisfoto konnte nicht schaden.
Wusste gar nicht, dass das Mistding einen Blitz hat, schoss es mir durch den Kopf, als ich die Beine in die Hand nahm.
Hinter mir hörte ich Gregor fluchen. Kurz darauf lag ich wieder auf der Matratze.
Emily vergnügte sich also mit Hauser. Dass sie nicht die treueste Ehefrau der Welt war, gebongt, aber hatte das was mit dem Fall zu tun? Der einzige Zusammenhang zu den Karnickelmorden schien darin zu bestehen, dass die beiden ihre nächtlichen Turnübungen neben der
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