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Den letzten beißt das Schwein

Den letzten beißt das Schwein

Titel: Den letzten beißt das Schwein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Springenberg/Michael Bresser
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und bewirtschaftete als designierter Hoferbe eine Milchwirtschaft etwa drei Kilometer vom Hagenhof entfernt. Vor meinem geistigen Auge hatte sich angesichts des Spitznamens das Pendant eines westfälischen Clint Eastwood geformt. Der Mittzwanziger mit Hornbrille, vergelten! Mittelscheitel und Akneproblemen ähnelte aber eher Thomas Schmieder in »Die Nacht der lebenden Loser«.
    Ich fand ihn im Stall, wo er gerade Melkgeschirr auf Kuheuter montierte.
    »Dieter Nannen. Ich arbeite als Buchhalter auf dem Hagenhof«, stellte ich mich vor.
    Misstrauisch und neidisch zugleich beäugte mich das Jüngelchen.
    »Die können sich eine Bürokraft leisten? Mannomann, müssen die in Geld schwimmen. Hat Joey nichts von erzählt.«
    »Heute war die Polizei bei uns«, startete ich Onkel Dieters Märchenstunde. »Die wollen gesehen haben, wie Günters Auto gestern Nacht deutlich zu schnell über die Landstraße gerast ist. Sie verdächtigen Johannes.«
    Gringo schob sich die Brille auf die Stirn und strich sich durch die Haare, die sich keinen Millimeter bewegten.
    »Joey? Ausgeschlossen. Wir waren von sieben bis elf auf dem Landjugendtreffen, dann ist er mit dem Fahrrad nach Hause. Auto fahren war nicht mehr drin. Mensch, haben wir gesoffen. Die Jenni Bamberger hat ihm noch eine gelangt, weil er ein wenig über die Stränge geschlagen hat. Blöde Zicke.«
    Johannes schien nicht nur bei mir Aggressionen zu erzeugen; Jenni hatte meine volle Sympathie.
    »Und wie schaut’s bei dir aus? Schon die passende Bäuerin gefunden?«
    »Nee, ist bei dem Job fast unmöglich. Früh raus, spät ins Bett. Welches Mädel macht das schon mit? Ich werde mich bei >Bauer sucht Frau< melden. Mama unterstützt mich dabei. Sie sagt, wenn die minderbemittelten Möchtegernlandwirte in dieser Sendung schon eine Frau finden, dann werden sie sich um einen attraktiven Kerl wie mich geradezu reißen.« Er grinste breit, womit er mir einen Panoramablick auf ein renovierungsbedürftiges Gebiss gewährte. »Aber ich kann guten Gewissens vor Gericht bezeugen, dass ich die ganze Feier hindurch mit Johannes zusammen war. Sag das der Polizei.«
    Johannes war also wirklich gegen elf mit dem Rad nach Hause gestrampelt, und so besoffen konnte keiner sein, dass er die drei Kilometer nicht bis Mitternacht geschafft hätte.
    Jetzt musste ich nach Hause, die Erlaubnis holen für eine auswärtige Übernachtung.

    Meine Tiere begrüßten mich recht desinteressiert.
    »Seid ihr sauer, weil ich euch vernachlässigt habe?«, fragte ich die Kaninchen.
    Keine Antwort.
    »Falls ihr von Georges gewaltsamem Tod gehört haben solltet, keine Angst: Hier seid ihr sicher, versprochen.«
    Ich säuberte die Stallungen und verfütterte Löwenzahn. Eine einseitige, da häufig verabreichte, aber beliebte Speise. Damit hatte ich ihre Freundschaft zurückgewonnen. Lucie, mein Lieblingskarnickel, ließ sich bereitwillig streicheln und strahlte mich mit ihren großen Augen verliebt an. Das bildete ich mir nicht ein.
    »Ihr habt es gut«, seufzte ich, »trinken, fressen und keine Sorgen. Manchmal würde ich gern mit euch tauschen.« Aufgrund des ausbleibenden Widerspruchs ging ich davon aus, dass sie mir recht gaben.
    Jetzt war Pedders Stall an der Reihe. Während ich die Box fachgerecht ausmistete, berichtete ich ihm von den Erlebnissen des Tages. Der Racker hörte höflich zu, grunzte zwischendurch und wurde dafür mit einer Extraportion Futter belohnt. Etwas wehmütig verabschiedete ich mich.
    Im Haus dröhnte eine Oper in Discolautstärke. Klang wie Verdis »La Traviata«, war aber »Rigoletto«, wie mir ein Blick aufs CD-Cover bestätigte. Mutter fand ich in der Wanne.
    »Kannst du nicht klopfen, Junge?«, schrillte sie und versank blitzschnell im nach Pinie duftenden Badeschaum.
    »Ein wenig laut, die Musik.«
    »Papperlapapp.« Sie nahm einen Schluck aus dem Sektglas, das sie auf dem Wannenrand abgestellt hatte. »Auch du wirst dich den Hochgenüssen unserer abendländischen Musikkultur widmen. Deine CD-Sammlung ist ja überhaupt nichts für dich. Dieser Krach, fürchterlich! Ich habe mir ein Lied dieser Gruppe Sodom angehört, weil ich Musik mit biblischem Hintergrund vermutet habe; etwas Gregorianisches vielleicht.«
    »Das geht dich nichts an. Wir haben nicht festgelegt, welche Musik ich zu hören habe.«
    »Dieser« — Kunstpause — »Punkt ist neuer Bestandteil des Handels. Ich habe deinem Vater über Telefon diesen Krach vorgespielt. Von wegen gregorianisch, das war purer Lärm.

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