Den letzten beißt das Schwein
und rutschte dabei fast aus, denn Hildegards Problem schien alles andere als klein zu sein. Erst jetzt fiel mir auf, dass das Parkett bis zur Diele auf einer Breite von mehreren Zentimetern mit einer undefinierbaren Flüssigkeit überzogen war.
Die Ami-Tante bemerkte meinen angeekelten Blick: »Oh, I’m so stupid. Da ist mir ein small, wie sagt man in German, Malheur passiert. Wir sind noch nicht dazu gekommen, es wegzuwischen.« Ein lauernder Blick, als wartete sie nur darauf, dass ich ausrastete. Den Gefallen tat ich den Damen nicht.
Dennoch fehlten mir die Worte. Ob die Pflege entfernter verwandtschaftlicher Beziehungen ebenfalls zu den Erbbedingungen gehörte, entzog sich meiner Kenntnis. Riskieren wollte ich aber nichts.
»Vielleicht bist du deiner Tante behilflich.« Mama wies auf die Kammer, in der meine Putzutensilien verstaut waren.
»Keine Zeit. Ich schnapp mir ein paar Sachen für die Nacht, dann bin ich weg.«
»Oh, what a pity. Wusstest du, dass ich früher Model und Professor für Literatur war?«
»Auf Familienfeiern reden wir über nichts anderes. Tschüss.« Ich wünschte mir, Vater hätte gefordert, dass ich den Jakobsweg auf Fingerknöcheln entlangtaperte. Eine Kleinigkeit gegenüber fünf Minuten in Gesellschaft eines Mitglieds meiner Familie.
Ich stopfte Duschzeug, Rasierer, Deo und frische Kleidung in eine Reisetasche und beschimpfte dabei im Geiste meine Mutter. Undankbarer Sohn.
Als ich das Haus verlassen wollte, hörte ich die beiden Grazien im Wohnzimmer plaudern.
»Dieter war noch nie der Hellste«, lästerte Isolde. »Außerdem ist er sehr impulsiv. Ein Wunder, dass er sich bis jetzt beherrscht hat. Hoffentlich lässt er sich vor Ablauf der Frist zu etwas Unüberlegtem hinreißen, damit ich endlich mit den zwei Millionen im Gepäck nach Frankfurt zurückkehren kann. Ich kann diesen furchtbaren Ort nicht mehr ertragen. Dieser Güllegestank. Oder ist das Dieter?«
Hilde lachte scheppernd. »Eine Zumutung«, bestätigte sie. »Klaus hates you very much. Er ist ein Bastard.«
»Hauptsache, Dieter hält sich woanders auf. Er hat sich zu einem richtigen Proleten entwickelt. Diese grauenhafte Musik und der primitive Lebensstil. Versteh mich nicht falsch. Nicht, dass er als Kind besser gewesen wäre. Meine Gene sind das nicht. Von mir würde der keinen Cent erben, das schwöre ich dir.«
»Wenn er außer home ist, kannst du ihn nicht provozieren. Dann geht es ihm viel zu gut. Er hat uns die Geschichte mit der Inkontinenz abgenommen. Stupid boy. Hast du gesehen, wie er innerlich gecooked hat?«
Isolde lachte schallend. »Glaubst du im Ernst, ich mache es ihm so leicht? Das war erst der Anfang. Zunächst wiege ich Sohnemann in Sicherheit, und dann wird er sein blaues Wunder erleben. Wenn ich gewusst hätte, mit was für einem missratenen Sprössling das Leben mich schlägt, hätte ich mich sterilisieren lassen. Aber ich gebe zu: Dieter hält sich besser, als ich gedacht hatte. Da muss ich wohl noch eine Schüppe drauflegen. Aber kommt Zeit, kommt Rat. Was hältst du von einer Partie Romme? Ein besseres Unterhaltungsprogramm kann ich dir in dieser Einöde leider nicht bieten.«
Das reichte. Die Hexe war noch mieser als erwartet. Ich musste äußerste Vorsicht walten lassen. Wer wusste schon, was sie im Schilde führte.
Während der siebzehn Kilometer genoss ich trotz der Scherereien die Sonne, die mir zu sagen schien: »Ärgern lohnt sich nicht. Das Leben ist so schön.« Ich glaubte ihr. Dieter war noch nie der Hellste — denen würde ich es zeigen.
Lette war ein rund siebentausend Einwohner zählendes Örtchen, das im Zuge der kommunalen Neuordnung 1975 dem größeren Coesfeld zugeschlagen worden war. Luis wohnte mit seinen Eltern in einem Vierfamilienhaus nah der Kirche.
Grosch war definitiv der Schwarm aller Mädchen seiner Klasse. Er trug einen modisch gestylten blonden Irokesenschnitt, war hochgewachsen und hatte strahlend blaue Augen. Den drahtigen Oberkörper bedeckte ein Limp-Bizkit-Shirt der letzten Europatournee.
Mit einer Coke Zero ließen wir uns im lichten Wohnzimmer nieder. Während ich über mein Anliegen referierte, inspizierte ich die Umgebung. Der Tisch aus Fichtenholz mit dekorativem Blumengebinde und die Rattanmöbel verliehen dem Raum mediterranen Charme. An der Wand hing ein lebensgroßes Mick-Jagger-Foto mit Autogramm.
»Bist du nicht ein bisschen zu jung für die Stones?«
»Daddys Steckenpferd«, grinste Luis. »Der hat sie Anfang der Achtziger auf der
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