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Den letzten beißt das Schwein

Den letzten beißt das Schwein

Titel: Den letzten beißt das Schwein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Springenberg/Michael Bresser
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hätte er meine Gedanken gelesen, bohrte Christian nach: »Als Exraucher können Sie die Zigarette noch besser beurteilen, da sind die Geschmacksnerven wieder offen. Schauen Sie: erlesener Geschmack, hervorragende Verarbeitung. Genießen und abkassieren lautet unser Motto.«
    Die Zigarette wirkte, als hätte ein kasachischer Erntehelfer Pferdemist in Klopapier gewickelt. Dennoch merkte ich, dass meine Neuronen nach dem alten Bekannten Nick O’Teen lechzten wie Dracula nach menschlichem Tomatensaft. Einmal Junkie, immer Junkie.
    Meine Hand hatte die Zigarette fast erreicht, als mein Verstand wieder die Kontrolle übernahm: »Sucht euch einen anderen für den Test. Ich bin Nichtraucher aus Überzeugung.« Mein Kotten lag nämlich nur wenige Meter entfernt. Und wer wartete dort auf einen Ausrutscher? Richtig, Mama Nannen. »Bis zum nächsten Mal. Und tschüss.«
    Ich drehte mich um und latschte los. Sie erhöhten zwar auf hundert Euro, aber ich bestieg ungerührt den Capri und legte die restlichen hundert Meter zum trauten Heim zurück.
    Dieses Mal schallten keine Puccini-Arien durch die heiligen Hallen. Dafür hatte Mutter Gesellschaft: Ihr gegenüber saß eine aufgetakelte Fregatte um die siebzig in einem Kleid, bei dem der Designer das Farbspektrum voll ausgeschöpft hatte. An ihren geschwollenen Fingern prangten Diamantringe, in den Tränensäcken hätte das komplette Mittelmeer Platz gefunden. Aut dem Kopf thronte ein grüner Filzhut mit einer Pfauenfeder.
    »Dieter, Liebes«, rief meine Mutter freudestrahlend. »Erinnerst du dich noch an Tante Hildegard?«
    Tat ich nicht. Als höflicher Mensch wollte ich ihr die Hand geben, doch die alte Schachtel hielt mir ihre knochige Pranke, von der Hautfalten wie eine Ziehharmonika herunterhingen, direkt vor den Mund. Igitt.
    »Ich bin dein Tantchen Hildegard aus Amerika. Das letzte Mal sind wir uns begegnet, als du ein klitzekleines Baby warst.« Sie sabberte ein wenig, wischte die Spucke aber stilvoll mit einem bestickten Taschentuch ab. »Oh my god, was bist du big geworden!«
    Die Präsenz meiner Mutter bereitete mir schon schlechte Gefühle. Doch Hildegard schaffte es mühelos, mein Unwohlsein zu potenzieren.
    »Deine Tante wollte mich in Frankfurt besuchen. Aufgrund der Umstände geht das ja leider nicht, aber da habe ich gedacht: Lad sie einfach zu Dieter nach Buldern ein. Du bist schließlich auch daran interessiert, deine Verwandtschaft kennenzulernen. Tante Hilde ist eine angeheiratete Schwippkusine der Halbschwester meiner Stiefmutter. Schade, dass Onkel Joe nicht mehr lebt. Er war Farmer und hat Rodeos geritten. Der hätte sich auf deinem Hof pudelwohl gefühlt.« Sie grinste hämisch.
    Hätte ich Mama erwürgt, hätte mir jeder Richter mildernde Umstände zugestanden. Diese Frau war pures Gift. Ein Gift, das den widerstandsfähigsten Mann dahinraffte und anschließend die Leiche zersetzte. Obwohl meine Abneigung gegen den unerwarteten Besuch offensichtlich war, schien Hilde mein feindseliger Gesichtsausdruck nicht zu stören.
    »Kurz nach deiner Geburt bin ich mit meinem first husband nach Texas ausgewandert. Dort habe ich als Model und Professor für Literatur an einem College gearbeitet. Dann hat er mich verlassen wegen einer blonde bitch. Never mind. Dann ich habe geheiratet mit Joe. Leider ist deine Onkel inzwischen verstorben. Hörzinforkt.«
    »Sehr schön. Leider habe ich keine Zeit für Smalltalk. Ich muss heute bei meiner Nachbarin Karin Schumann übernachten. Die braucht seelische Unterstützung.«
    »Eine Frau.« Das Lächeln meiner Mutter war so falsch wie Kujaus Hitlertagebücher. »Schön zu hören, dass du dein Leben auf die Reihe kriegst. Dann wird Vater dir gern das Erbe auszahlen.«
    »Schlimme Sache mit Klaus.« Hildegard ließ eine Träne die faltigen Wangen hinunterkullern. »Aber gut, dass du heute away bist. Dann macht es dir surely nichts aus, wenn ich in deinem Bett schlafe, right?«
    Solange die welke Tante hier war, würde ich nicht mehr in der Nannen-Villa übernachten, so viel stand fest. Jetzt wusste ich, wie sich ein Vertriebener fühlte.
    »Du brauchst dich um nichts zu kümmern, mein Sohn«, trillerte Isolde. »Tante Hilde hat ein kleines Inkontinenz-Problem, aber ich werde dein Bett jeden Tag neu beziehen, versprochen.«
    Die beiden grinsten gehässig.
    »Ich würde so gern noch ein bisschen talk mit Dieter.« Hilde hievte sich mit Hilfe eines Wanderstocks in die Höhe.
    Ich trat zwei Schritte zurück, ehe eine Umarmung drohte,

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