Den letzten beißt das Schwein
Ort verscherzen wollte, hatte ich zähneknirschend zugesagt.
Bei der letzten Sonntagsmesse hatte mir der Geistliche mit einem geheimnisvollen Zwinkern anvertraut, dass er während des heutigen Festgottesdienstes eine sensationelle Neuigkeit verkünden würde. Der Priester hatte einen Hang zur Dramatik, daher fragte ich nicht nach. Ich konnte mich noch gut an seinen Auftritt erinnern, als der Preis für die Opferkerzen um fünf Cent erhöht werden musste: Zur Rechtfertigung verlas er die komplette Korrespondenz zwischen ihm und dem Kerzenlieferanten, dazu Vergleichsangebote von sage und schreibe sieben Konkurrenzunternehmen. Unvergessen auch seine Reaktion, als ich einmal versehentlich ein falsches Lied anspielte: In der Predigt geißelte er dieses unverzeihliche Malheur geschlagene zwanzig Minuten mit hochrotem Kopf. Damals wäre ich vor Scham am liebsten im Boden versunken.
Es war, wie es war: Gleich musste ich am Bulderner Dom sein, und zwar deutlich vor dem Gottesdienst-Kick-off, denn ich kannte weder Wilperts Liederwünsche noch die Messe-Agenda.
Langer Rede kurzer Sinn: Die Auswertung des Schlafzimmerfunds musste auf morgen verschoben werden, denn vor dem Kirchgang waren noch mein Schwein Pedder und die Kaninchen an der Reihe, da Mutter mit Sicherheit keinen Finger für die armen Geschöpfe gerührt hatte.
Der Horror vor dem Zusammentreffen mit Isolde und der amerikanischen Tante wurde nur gemildert durch ein mögliches Zusammentreffen mit Karin. Die Chancen standen zwar schlecht, aber das Glück war ja bekanntlich mit den Doofen.
Ich war nicht doof, leider. Karin hatte die heiligen Hallen längst verlassen, zudem wurde die deutsch-amerikanische Freundschaft durch Reichert ergänzt, was mein Glück komplettierte.
Es sah richtig heimelig aus, wie das Triumvirat um meinen Wohnzimmertisch hockte, aus meinen Tassen Kaffee schlürfte und von meinen Tellern mit meinen Gabeln Schwarzwälder Kirschtorte — ausnahmsweise nicht von mir — in sich hineinstopfte.
»Hallo zusammen. Lasst euch nicht stören. Ich füttere nur meine Tiere und bin dann wieder weg.« Meine Lust, mich mit meiner Verwandtschaft zu unterhalten, tendierte gegen null.
Die größte Null sprach mich an: »Wie war’s im Knast? Zufrieden gewesen mit Kost und Logis?« Der liebe Ludger glaubte sich noch immer im Recht.
»War nett. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass ich zu Unrecht verhaftet wurde, habe ich mich angeregt mit Ihrem Boss unterhalten. An Ihrer Stelle würde ich ihm nicht so schnell wieder unter die Augen treten.«
Während der Teint meines Stiefvaters in spe erblasste, meldete sich Miss America zu Wort.
»Didi, my dear, ich dachte, du bist ein good guy. Wie kommt es, dass du musst gehen in jail?«
»Das passiert, wenn gesetzestreue Menschen trotz wasserfester Alibis weggesperrt werden. Dürfte für dich als Bürgerin der Vereinigten Staaten nichts Neues sein.«
»Wenn das dein Dad erfährt!«, schaltete sich die Dritte im Bunde ein. »Zum Glück stehe ich auf deiner Seite, mein Sohn, sonst wäre das Erbe futsch.«
Das reichte. Musste ich mich in meinen eigenen vier Wänden verhöhnen lassen?
»Und weil du es so gut mit mir meinst, hast du mir diese beiden Schmalspurkomiker auf den Hals gehetzt?«
Jetzt war auch Mutter blass geworden. Aber nur für eine Sekunde.
»Ich weiß nicht, wovon du redest. Wenn du mich verleumden willst, nur zu. Klaus ist sich natürlich der Tatsache bewusst, dass Sohnemann keinen Trick auslassen wird, um ohne Aufwand ans Erbe heranzukommen. Stattdessen solltest du dich lieber bemühen, deinen Eltern einen schönen Lebensabend zu bereiten.« Sie tupfte mit einem Seidentuch ihre Augen, als würden Tränen fließen.
Reichert nickte andächtig, sein Schnurrbart war mittlerweile mit weißen Sahnespritzern verziert. Erinnerte ans Matterhorn.
»Bin gespannt, was Klaus sagt, wenn ich ihn das nächste Mal anrufe.« Ich wandte mich an Reichert. »Diese beiden Ganoven, Christian und Bongo, waren ebenfalls im Wald, als der Anschlag auf Adri Hues verübt worden ist. Überprüfen Sie das mal. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass meine Mutter was damit zu tun hat, aber...« Den Rest des Satzes ließ ich unvollendet.
»Ist das wahr, Isolde?«
»Quatsch. Dieter wirft doch nur mit Dreck um sich, um von seinen Verfehlungen abzulenken.«
»Herr Reichert, ich gebe Ihnen mal was zum Nachdenken: Was meinen Sie, warum meine Mutter Sie zufällig kennengelernt hat? Hat sie Ihnen erzählt, dass sie auch meinen
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