Den Löwen Zum Frass
beeindrucken wollte. Zumindest war mir jetzt klar, warum er dachte, es würde ihr gefallen. Ein Aspekt dieses brutalen Wirrwarrs ergab jetzt wenigstens einen Sinn.
Wenn Frauen in der Arena kämpften, wurden sie stets gegen andere Frauen eingesetzt. Für das römische Gefühl war das schlimm genug. Niemand würde auch nur im Traum daran denken, eine Frau gegen Männer kämpfen zu lassen. Doch zumindest war einer von Scillas heutigen Gegnern ein Sklave, und »Romanus« musste von niederer Herkunft sein, um hier zu enden. Aber sie hatte sich selbst verdammt; auch wenn sie den Kampf überlebte, war sie jetzt gesellschaftlich eine Unberührbare geworden. Was den Kampf betraf, hätte jeder anwesende Mann behauptet, dass sie keine Chance hatte.
Plötzlich wurde es laut. Mir blieb keine Zeit mehr, die Gedanken zu verfolgen, die mir durch den Kopf schossen. Der Kampf sollte beginnen.
»Angriff!«
Die drei so genannten Gladiatoren nahmen zuerst ihre Position an den Spitzen eines Dreiecks ein. So war es bei Einzelkämpfen üblich, wenn es keine festgelegten Kampfpaarungen gab. Falls ihre La- nistae nicht zwei von ihnen erlaubten, zusammenzuarbeiten und gemeinsam den Dritten anzugreifen, bedeutete es, dass sich vermutlich einer zurückhalten würde, während die anderen beiden aufeinander losgingen.
Und so geschah es auch. Ich hatte erwartet, dass sie erst lange herumschleichen und alle drei hoffen würden, als Letzter in den Kampf gezogen zu werden, um ihre Kräfte zu schonen. Stattdessen schlug die Frau gleich los. Scilla schloss ihren Helm und stürzte sich auf Fidelis.
Er war von Anfang an die Opferfigur, dazu bestimmt, von den anderen beiden als Erster angegriffen zu werden. Da er ohne Schutzrüstung war, blieb ihm nichts anderes übrig, als wegzulaufen. Zuerst floh er durch die Arena zum anderen Ende. Scilla verfolgte ihn, griff aber noch nicht an. Sie spielte mit dem Sklaven. Von Myrrah dem Untergang preisgegeben, hatte sich niemand die Mühe gemacht, ihm Ratschläge zu erteilen. Er hatte keine Ahnung, was er mit der Ausrüstung eines Netzkämpfers anfangen sollte. Die gefährlichen Kenntnisse, die normalerweise in einem solchen Kampf für Ausgewogenheit sorgten, waren ihm auf grausame Weise vorenthalten worden. Er wollte nicht sterben. Da es aber unvermeidlich war, schien er beschlossen zu haben, es mit Bravour zu tun. Er warf das Netz nach Scilla, ein recht anständiger Wurf, bei dem es ihm sogar gelang, die Schnur, mit der sich das Netz zuziehen ließ, in der Hand zu behalten. Er traf eine ihrer Schultern, aber leider die falsche. Statt ihren Schwertarm zu erwischen, landete das Netz auf der linken Schulter und verhedderte sich an ihrem Schild. Scilla ließ ihn einfach fallen. Der Schild hatte so viel Gewicht, dass er das Netz von ihr wegzog. Es verfing sich kurz in ihrem Gürtel, aber sie schüttelte es mit kräftigem Rucken ab, und es fiel zu Boden. Fidelis hatte die Schnur losgelassen. Jetzt trat Scilla dem Sklaven ungeschützt entgegen, und sein Dreizack hatte eine größere Reichweite als ihr sichelförmiges Schwert, aber sie zeigte keine Furcht. Sie schlitterte rasch zurück, lachte jedoch, verhöhnte ihn immer noch. Ihre Selbstvertrauen war erstaunlich.
Er näherte sich ihr mit unbeholfenen, hüpfenden Schritten. Sie zog sich weiter zurück, auf uns zu. Sie war leichtfüßig, er ungeschickt. Er stieß mit dem Dreizack nach ihr, verfehlte sie jedoch. Sie hieb mit dem Schwert danach, aber es gelang ihm irgendwie, den Dreizack an sich zu reißen. Wieder sprang sie mehrere Schritte zurück und blieb dann plötzlich stehen. Fidelis war ihr zu nahe gekommen. Die Spitzen des Dreizacks schossen an ihr vorbei, ohne ihr etwas anzuhaben. Mit der linken Hand packte Scilla furchtlos den Griff und zog ihn mit aller Kraft zu sich heran. Dann stieß sie ihr Schwert mit Wucht in den unglücklichen Fidelis. Der fiel sofort zu Boden.
Noch lebte er. Hanno und Saturninus, die vom Arenarand zugeschaut und keinerlei Anstalten gemacht hatten, ihre Kämpfer in der üblichen Weise anzufeuern, kamen nun angerannt, um den Schaden zu begutachten. Fidelis hob den Arm, einen Finger hochgestreckt. So baten Gladiatoren das Publikum normalerweise, sie zu begnadigen. Bei einem Kampf bis zum Tod hätte das nicht erlaubt sein dürfen.
In der Menge wurde Getrampel laut, und Daumen wurden hochgereckt, ein Appell an den Schirmherrn, Fidelis das Leben zu schenken.
Rutilius erhob sich. Er hatte offenbar rasch überlegt und gab Hanno als dem
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